Zwei Fragen an den für Lenzen zuständigen Gebietsarchäologen Jens May vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum in Wünsdorf
Welche Bedeutung haben die archäologischen Funde auf Burg Lenzen?
Die Funde aus der slawischen Periode sind von großer landesgeschichtlicher und wissenschaftlicher Bedeutung. Für Burg Lenzen liegen ungewöhnlich viele schriftliche Überlieferungen vor - dieser günstige Umstand ist auf die exponierte strategische Lage der Burg an der Elbe zurückzuführen. Fast 400 Jahre lang markierte die slawische "Königsburg Lenzen" eine ständig umstrittene Grenze zwischen dem fränkisch-deutschen Reich auf der einen und der slawischen Machtsphäre auf der anderen Seite. Die ausgezeichnete schriftliche Quellenlage steht im krassen Widerspruch zur archäologischen Quellensituation in Brandenburg und speziell in der Prignitz, wo bislang weder unbefestigte slawische Siedlungen noch Burgwälle gegraben worden sind.
Das wenige, was wir über die Zeit vom 8. bis Mitte des 12. Jahrhunderts wissen, beruht auf archäologischen Oberflächenfunden. Im Vergleich zum Forschungsstand anderer Regionen wie etwa der Lausitz oder dem benachbarten Mecklenburg muss deshalb die slawische Periode in der Prignitz aus archäologischer Sicht als "dark age" bezeichnet werden. Auf Burg Lenzen kommen jetzt Häuser und Befestigungen ans Tageslicht, die wir mit Hilfe der so genannten Jahrringchronologie in vielen Fällen auf das Jahr genau datieren können. Die Funde bringen uns die slawische Alltagskultur näher als die schriftlichen Quellen.
Stimmt es, dass die slawischen Anlagen relativ unversehrt unter der mittelalterlichen und der neuzeitlichen Bebauung des Lenzener Burgwalls liegen?
Ja. Die Erhaltungsbedingungen für Holz und andere organische Materialien waren bereits in zwei Meter Tiefe außerordentlich gut. Man muss sich das so vorstellen: Der Lenzener Burgwall ist eine künstliche Erhebung von fast zehn Metern Höhe und einem Durchmesser am Grund von rund 90 Metern. Die slawischen Schichten liegen innerhalb dieses Burgberges ganz unten - die Wenden haben sich hier im neunten Jahrhundert auf einer flachen Sandinsel niedergelassen und einen Burgwall errichtet. Der wurde nach Bränden und Zerstörungen immer wieder erneuert, dabei wurden die Fundamente einfach immer wieder zugeschüttet. Weil man früher den Bauschutt nicht abtransportierte, sind so Burgwälle und später auch Städte förmlich nach oben gewachsen. Auf diesem slawischen Wall haben deutsche Adlige im 12. Jahrhundert eine Burg errichtet. Auch die mittelalterlichen Schichten der Burg liegen heute im Hügel verborgen, bis in etwa zwei Meter Tiefe. Darunter liegen die slawischen Schichten, in Tiefen zwischen zwei und neun Metern. Was wir heute auf dem Burgberg sehen, sind Gebäude aus der Neuzeit, unter anderem aus dem Spätbarock. Nur der Burgturm ist ein mittelalterliches Relikt aus dem 13. Jahrhundert.
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