"Wir brauchen Wildniszonen"

  • Foto: Auenwald
  • Karte: Flußlandschaft Elbe
  • Foto: Eckart Krüger

Der Streit um den künftigen niedersächsischen Nationalpark Elbtalaue will nicht enden. Noch immer ist der Ausgang des wohl ehrgeizigsten Naturschutzprojektes dieser Landesregierung ungewiß. Eckart Krüger, BUND-Mitglied und langjähriger Streiter für den Schutz der Elbtalauen, erläutert im folgenden Interview, warum es für ihn keine Alternativen zu einem Nationalpark an der Elbe gibt.

BUND: Warum setzt sich der BUND für einen Nationalpark in der Elbtalaue ein?

Krüger: Die Elbtalaue ist eine der letzten dynamischen Flußlandschaften in Mitteleuropa und nach einhelliger Fachmeinung ein Gebiet von nationaler und internationaler Bedeutung. Dynamisch heißt, daß die natürlichen, landschaftsformenden Vorgänge wie die regelmäßigen Uberflutungen des Elbvorlandes oder Bodenabtragungen und -ablagerungen im Bereich der Talaue zumindest stellenweise noch heute erfolgen. Dadurch ist das Landschaftsbild in einem ständigen, durch Wasser und Wind verursachten Wandel. Wir glauben, daß ein Nationalpark dieser Landschaft am ehesten gerecht wird, denn er soll Nutzungen, die diese dynamischen Prozesse stören oder behindern, weitgehend ausschließen. Das heißt nun aber nicht, daß die Menschen aus dieser Region herausgedrängt werden sollen. Ubrigens hat auch Prof. Bibelriether (Vizepräsident der Internationalen Union zum Schutze der Natur, IUCN, die die Kriterien für Nationalparke festlegt, Anm. d. Red.) festgestellt, daß wir in Europa zwar eine relativ große Anzahl von Nationalparken in Hoch- und Mittelgebirgslagen haben, dagegen kaum welche in den seiner Meinung nach höchst schützenswerten Auenlandschaften des Tieflandes. Wir sind also fast verpflichtet, an der Elbe einen Nationalpark zu schaffen.

BUND: Ein Biosphärenreservat, daß sogar von den erklärten Nationalparkgegnern akzeptiert würde, kann diesen Schutz also nicht gewährleisten?

Krüger: Ein Biosphärenreservat ist in erster Linie dazu gedacht, eine bedeutende Kulturlandschaft großräumig zu schützen und zu erhalten. Es soll auch in der Elbtalaue eingerichtet werden, länderübergreifend und deutlich größer als der Nationalpark, der sozusagen nur den Kern des Biosphärenreservates darstellt. Das halten wir für sinnvoll. Der Nationalpark selbst ist relativ schmal, da er sich im wesentlichen auf die hochwasserbeeinflußten Bereiche entlang der Elbe beschränkt. Das Biosphärenreservat "Flußlandschaft Elbe" soll dreistufig aufgebaut werden: im Kernbereich ein Nationalpark, der in seinen Randbereichen durch Naturschutzgebiete ergänzt wird, der Rest ist Landschaftsschutzgebiet. Damit haben wir den Status des Biosphärenreservates, der keine Schutzkategorie im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes darstellt, auch rechtlich abgesichert und ausgefüllt. Ein Biosphärenreservat allein bedeutet wenig - es ist im Prinzip nur eine Urkunde, die mit ein paar Sollbestimmungen verbunden ist.

BUND: Die Gegner eines Nationalparks behaupten ja gerade, daß die Elbtalaue eine reine Kulturlandschaft sei - ein Nationalpark sei deshalb das falsche Instrument. Schlimmer noch: Sollte ein Nationalpark kommen, so heißt es, ginge diese schöne Landschaft buchstäblich den Bach herunter. Was sagt der BUND dazu?

 

Krüger: Wir sollten uns auch hier in Mitteleuropa wieder daran gewöhnen, Wildniszonen zuzulassen, nicht nur in Wäldern, sondern auch in anderen Ökosystemen wie einer Flußlandschaft. Wir können diese Aufgabe doch nicht nur den armen Völkern zumuten, nach dem Motto: Rettet ihr bitteschön eure Regenwälder, damit die Ökologie stimmt. An der Elbe haben wir nun die seltene Gelegenheit, die natürlichen Kreisläufe eines großen Tieflandstromes zumindest teilweise wieder herzustellen. Das Argument, daß durch die Nutzungsaufgabe in diesem kleinen
Bereich die Artenvielfalt verloren ginge, ist geradezu absurd: Der Mensch hat durch sein Wirtschaften ja gerade dafür gesorgt, daß die Roten Listen immer länger werden.

Es wird zum Beispiel behauptet, daß der Storch bewirtschaftetes Grünland brauche, auch das ist falsch. Die höchste Storchendichte in Europa finden wir in den Pripjet-Auen, das sind vollkommen ungenutzte, offene und halboffene Auwaldflächen in Belorußland. Aus diesen Landschaften kommt der Storch, der bei uns im feuchten Grünland als Kulturfolger lebt. Im übrigen soll ja das Grünland durch die geplanten Naturschutzgebiete erhalten und entwickelt werden - vom Verlust der Kulturlandschaft durch das Schutzgebietskonzept kann daher keine Rede sein. Es sind ja doch nur schmale Bereiche, die im Elbvorland als Wildniszonen wiederhergestellt werden sollen. Ein Zahlenbeispiel: Der geplante Nationalpark mit seinen knapp 12.000 Hektar hat schon jetzt etwa zehn Prozent Wildniszonen, also ungenutzte Flächen.

Selbst die Landwirtschaftskammer hat in ihrem Gutachten zum Elbtalforum die Möglichkeit eingeräumt, daß sich etwa 30 Prozent des Elbvorlandes zum Auwald entwickeln könnte. Mit diesen Zahlen hätten wir schon viel erreicht Das muß dann natürlich mit der Wasserwirtschaft abgestimmt werden, denn der Abfluß der Elbe muß auch weiterhin gewährleistet bleiben. Es werden sich aber genügend Bereiche finden lassen, die unstrittig sind.

BUND: Es wird also Veränderungen im Landschaftsbild der Elbtalaue geben?

Krüger: Von 1000 Hektar Auwald vor 150 Jahren sind heute 40 Hektar im Bereich des geplanten Nationalparks übriggeblieben. Wir stellen uns vor, daß zunächst die vorhandenen Auwaldreste stabilisiert werden. Sonst verschwinden auch diese über kurz oder lang. Darüberhinaus wollen wir natürlich weitere Flächen, auf denen sich wieder Weich- und Hartholzauen entwickeln können. Wie man das am besten macht, darüber streiten die Experten: Die einen wollen Auwald direkt anpflanzen, die anderen die Flächen ihrer natürlichen Entwicklung überlassen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung von Auwäldern ist in jedem Fall, daß die natürliche Wasserdynamik des Flusses zugelassen beziehungsweise wieder hergestellt wird.

BUND: Ist das mit dem Begriff "Entwicklungsnationalpark" gemeint?

Krüger: Im Prinzip ja. Was einen Nationalpark vor allem auszeichnet und auch von anderen Schutzkategorien wie einem Naturschutzgebiet abhebt, ist seine in weiten Teilen nicht mehr vom Menschen manipulierte Eigendynamik. Nirgendwo sonst haben wir in unserer Kulturlandschaft noch die Möglichkeit, solche landschaftsbildenden Prozesse großräumig zu ermöglichen. Diese Prozesse sind langfristig - die Entwicklung von Auwäldern an der Elbe wird über Generationen gehen. Mit anderen Worten: Drastische und sprunghafte Veränderungen wird es hier nicht geben, eher kleine und kleinste, kaum wahrnehmbare Schritte. Entscheidend bleibt trotzdem, daß wir jetzt mit der Errichtung eines Nationalparks die Grundlagen für diese Entwicklungen schaffen. Alles weitere wird die Zeit zeigen.

BUND: In welcher Form wollen sich Naturschützer an der Ausgestaltung des Nationalparks beteiligen?

Krüger: Die Naturschutzverbände haben sich bisher schon stark am Konzept des Nationalparks beteiligt. Es waren im übrigen Verbandsvertreter, die nach der Wende als erste Kontakt zu den Naturschutzbeauftragten auf der anderen Elbseite aufnahmen und mit Plänen für ein länderübergreifendes Schutzgebiet begannen. Später erarbeiteten Fachleute von BUND und NABU gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie eine sogenannte Potentialkarte, die die für eigendynamische Entwicklungen geeigneten Flächen entlang der Elbe zeigt.

Diese fachliche Zuarbeit wird es auch weiterhin geben. Auch im Bereich der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist eine Zusammenarbeit von BUND und dem Land Niedersachsen denkbar.

BUND: Wie stehen die Chancen für den Nationalpark Elbtalaue zu diesem Zeitpunkt?

Krüger: Der Nationalpark ist in der politischen Diskussion und Thema des gerade beginnenden Wahlkampfes. Da wird immer mit überzogenen Forderungen und Drohungen Druck gemacht. Ich persönlich glaube aber nicht, daß der Nationalpark noch gekippt werden kann. Zum einen habe ich aus einem Gespräch mit Ministerpräsident Schröder den Eindruck gewonnen, daß er zu seinem in der Regierungserklärung festgelegten Ziel steht. Zum anderen meine ich, daß es für diese strukturschwache Region keine wirkliche Alternative zu einem Nationalpark gibt.

Das Gespräch führte Sabine Littkemann.

Eckart Krüger, 43, lebt im wendländischen Trebel bei Lüchow. Er ist im Vorstand der BUND-Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg und Vorstandsmitglied des Förderverbandes Elbtalaue.



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