Schimmelreiterland

Foto: Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler

Ein Aufschrei der Empörung ging in den letzten Augusttagen durch Teile der Bevölkerung am Jadebusen im Landkreis Friesland. Auslöser des öffentlichen Unmuts war ein Urteil des Verwaltungsgerichtes in Oldenburg: Es hatte einer Klage des BUND im Eilverfahren stattgegeben und eine bereits begonnene Deichverstärkung zwischen Cäciliengroden und Dangast vorläufig gestoppt.

Das Ausmaß der darauf einsetzenden Kampagne hat selbst uns überrrascht - Höhepunkt des Protestes war am 30. August eine von Kirchengemeinden mitorganisierte Lichterkette auf dem Cäciliengrodendeich, an der rund 12.000 Menschen teilnahmen. "Schutz der Menschen geht vor Naturschutz", "BUND gefährdet Sicherheit der Menschen hinter dem Deich", "Schutzbestimmungen behindern effektiven Deichschutz", so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen, die dazu durch die regionale Presse gingen. Was war wirklich geschehen?

Der Hintergrund


Nach den Plänen des zuständigen Deichverbandes, dem III. Oldenburgischen Deichband, sollte die notwendige Deichverstärkung des Hauptdeiches in dem etwa sechs Kilometer langen Teilstück zwischen Cäciliengroden und Dangast nach außendeichs und damit in den Nationalpark Wattenmeer hinein gebaut werden. Der dazu notwendige Planfeststellungsbeschluß erging Ende Februar mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Der Baubeginn erfolgte noch vor Ablauf der gesetzlichen Klagefrist - die guten Argumente des BUND für die binnenseitige Verstärkung des Cäciliengrodendeiches, die auch von der Umweltverträglichkeitsprüfung favorisiert wurde, waren im Planfeststellungsverfahren der Abwägung zum Opfer gefallen.

Der BUND hatte in seiner schriftlichen und mündlichen Stellungnahme auch auf einen 1995 ausgehandelten Kompromiß zwischen Naturschutzverbänden, Deichverbänden und Bezirksregierung hingewiesen. In dem 10-Punkte-Katalog wird unter anderem aufgeführt, daß Deichverstärkungen nur nach binnendeichs durchzuführen sind, wenn nicht örtliche Gegebenheiten, wie z.B. Häuser oder Siedlungen in unmittelbarer Deichnähe, dagegen sprechen. Dies trifft in diesem Teil des Cäciliengrodens nicht zu: In dem geplanten Bauabschnitt liegen landeinwärts in einem mehrere hundert Meter breiten Streifen hinter dem Deich Wiesen und Weiden. Weiter wird in dem Kompromiß festgelegt, daß die zum Deichbau erforderlichen Kleientnahmen nur in besonderen Ausnahmefällen außendeichs entnommen werden dürfen. Mit diesen Vereinbarungen sollte sichergestellt werden, daß die gemäß Nationalparkverordnung, Naturschutzgesetz und der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützten Bereiche der Salzwiesen und Wattflächen des Nationalparks bei Deichbaumaßnahmen und Bodenabgrabungen nicht unnötig in Mitleidenschaft gezogen werden. über beide Punkte setzte sich der Planfeststellungsbeschluß zum Cäciliengroden hinweg - und das, obwohl das vom Deichverband für die Deichverstärkungsplanung in Auftrag gegebenes Baugrundgutachten auch die binnenseitige Deichverstärkung als sicher herstellbar bezeichnet!


Foto: Demo
Demo gegen den BUND in Bockhorn/Friesland: Deichbau als Schauspiel - der Deichband schiebt den (mit fackeln gespickten) Deich nach buten, der BUND hält dagegen - noch binnen! Foto: Müller-Mangels

Die Klage


Angesichts einsetzender Bauarbeiten im Außendeichsbereich entschloß sich der BUND Landesverband, den Klageweg zu beschreiten um Schäden an den Salzwiesen so weit als möglich zu verhindern und stellte deshalb einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Oldenburg. Unterstützung erhielten wir von der Umweltstiftung WWF, die selbst nicht klageberechtigt ist. Das Verwaltungsgericht folgte unserer Argumentation: Am 21. Juni gab es der Klage statt und verordnete einen vorläufigen Baustopp bei Zulassung der notwendigen Wintersicherung am Cäciliengrodendeich. Begründung: Die naturschonendere Variante der Deichverstärkung sei von der zuständigen Behörde - der Bezirksregierung - nicht hinreichend geprüft worden.

Deichbau contra Naturschutz?


Ein Erfolg für den BUND, ein Erfolg für den Naturschutz, und doch: Die Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt bereits ein Teil der Salzwiesen zerstört war, aber auch die nun einsetzende Anti-BUND-Kampangne, die von Deichverbänden, Parteien und anderen Organisationen bis hin zu Kirchengemeinde getragen wurde, schmälerten unsere Freude über den Richterspruch. Wie immer man zur Sache steht, die Art der Auseinandersetzung vor Ort mit dem Oldenburger Urteil gibt zu denken. Der BUND hat mit seiner Klage offenbar ein Tabu berührt. Der Deichbau hatte bisher seine "eigenen" Gesetze - die Menschen hinter dem Deich wollen sich bis heute weder von einem Naturschutzverband noch von einem Gericht vorschreiben lassen, wie sie sich vor dem Meer zu schützen haben. Wer sich da ungebetenerweise einmischt, bekommt die ganze Wucht der Emotionen zu spüren. Diese Haltung mag auf den ersten Blick verständlich sein, denn der "blanke Hans" läßt nicht mit sich spaßen, aber sie wird der Sachlage nicht gerecht. Der BUND hat zu keinem Zeitpunkt die Sicherheit des Deiches und der dahinter lebenden Menschen aus den Augen verloren, auch wenn es in manchen Presseberichten anders dargestellt wurde. Die vielzitierte Alternative: Naturschutz oder Deichsicherheit gibt es am Cäciliengrodendeich nicht-Hier besteht die Möglichkeit, durch eine binnenseitige Deichverstärkung beiden Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden.

Die traditionell starken Deichverbände haben am Cäciliengroden unserer Meinung nach die veränderte Rechtslage, die den Belangen des Naturschutzes (endlich!) ein etwas größeres Gewicht im Konflikt der Interessen verleiht, noch nicht zur Kenntnis genommen. Sie müssen sich bei Bauvorhaben - so wie alle Bürger und Institutionen - auch um den gesetzlich gebotenen Erhalt der Natur bemühen. Bedauerlich ist es, wenn diese Aufgabe der öffentlichen Hand per Klage eingefordert werden muß - für
manche Politiker im Land übrigens Anlaß, die Abschaffung der Verbandsklage zu fordern. Dabei beweist Cäciliengroden gerade die Richtigkeit der Verbandsklage:
Anders ist der Natur in schweren Interessenskonflikten kaum zu helfen.

Aus Fehlern lernen ...


Daß im Fall Cäciliengroden vor Ort die Zweifel über die politische Richtigkeit der BUND-Klage bis in unsere eigenen Reihen reichten, ist für uns besonders bitter, aber: Die unnötige Naturvernichtung kritisierten auch die Zweifler. Fazit: Wir haben das Dialogdefizit mit und zwischen den Mitgliedern der Kreisgruppe Wilhelmshaven/Friesland zu spät bemerkt, die Stimmung der Menschen vor Ort nicht ausreichend erspürt. Der Richterspruch aus Oldenburg kam so für viele - auch im BUND - überraschend. Wir hatten im Vorfeld des Urteils die Bevölkerung nicht hinreichend über unsere - guten Argumente informiert und so unseren Gegnern eine offene Flanke geboten. Daran zeigt sich, daß auch die Kommunikation im Verband stimmen muß, wenn wir in der Sache zusammen- und vorankommen möchten. Dies müssen und wollen wir zukünftig noch stärker berücksichtigen. Eines werden wir, ganz im Sinne unserer Satzung, aber sicher bleiben - früher an der Ems, heute am Jadebusen: Anwalt der Natur!

Mutmachende Erfolge


Erfreulicherweise sind die meisten Erfolge der BUND-Arbeit nicht so meinungsspaltend wie der Richterspruch zur Deichverstärkung Cäciliengroden. Deshalb freuen wir uns über weitere Erfolge: das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgericht zum Atomkraftwerk Krümmel oder der Rückzug der Firma Monsanto aus den Freisetzungsversuchen mit gentechnisch verändertem Raps in Oberboyen (Kreis Nienburg). Von diesen und weiteren großen und kleinen Erfolgen der letzten Monate handelt denn auch unsere zweite Ausgabe der neuen Niedersachsen-Beilage - lassen Sie sich inspirieren!

Ihr Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, (Landesgeschäftsführer)



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