Letzte Runde im Fall Emssperrwerk? - Europäisches Naturschutzrecht hat bisher keinen Schutz geboten

Das Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg hat am 18. Mai - nach sechs Tagen mündlicher Verhandlung im Hauptsacheverfahren - die Klage des BUND-Niedersachsen gegen den Bau des Emssperrwerkes endgültig abgewiesen. Die schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor.

Die mündliche Verhandlung
Der Gerichtstermin verlangte Durchhaltevermögen. Von morgens früh bis in die Abendstunden hinein wurden an den sechs Tagen in Oldenburg vielfältige und komplexe Sachverhalte behandelt: Ist das Emssperrwerk notwendig für den Küstenschutz und die Uberführung von Kreuzfahrtschiffen?

Wie verändern sich Salzkonzentrationen und Sauerstoffgehalt beim Aufstau der Ems? Wie ist die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und die Beeinträchtigung des europäischen Vogelschutzgebietes durch den Bau zu werten?

Vor der Verhandlung hatte der Rechtsanwalt der Meyer-Werft, die als Beigeladene am Verfahren beteiligt ist, unsere Sachverständigen alle als befangen abgelehnt und versucht, sie als voreingenommen zu diskreditieren. Die Kammer des Verwaltungsgerichts lehnte diesen Antrag ab. Dem dabei ausgehandelten Kompromiss zu Folge wurden die Experten und Gutachter des BUND lediglich als "Parteivortrag" angehört, während der Beistand der in der Sache wirklich nicht unvoreingenommenen Planfeststellungsbehörde Bezirksregierung als "neutrale Sachverständige" auftreten durfte.

Trotzdem ist es uns gelungen, den Planfeststellungsbeschluss ins Wanken zu bringen, deshalb zog die Bezirksregierung in letzter Minute die Notbremse.

Am vorletzten Tag der mündlichen Verhandlung "heilte" - wie es in der Amtssprache heißt - die Bezirksregierung die juristisch gefährlich gewordenen Fehler in ihrem Planfeststellungsbeschluss, indem sie einen Planänderungsbeschluss präsentierte.
Andere kritische Passagen ließ die Behörde einfach aus dem Beschluss streichen und versprach, die notwendigen Regelungen im Betriebsplan festzulegen. Bis heute fehlt dieses grundlegende Dokument zum Betrieb des technische Riesenbauwerks. So verhinderte die beklagte Behörde, dass weitere strittigen Punkte bei der Verhandlung überprüft werden konnten. Die der gerichtlichen Uberprüfung unterworfenen Planfeststellungsverfahren werden auf diese Art und Weise endgültig zur Farce, weil die Behörde in aller Ruhe abwarten kann, wie das geltende Naturschutzrecht vom Gericht ausgelegt wird.

Enttäuscht hat die Umweltverbände besonders, dass das VG Oldenburg dem Europäischen Gerichtshof keine Fragen zur Vogelschutz- und FFH-RL zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Das Verfahren hätte sich dazu aufgrund der zahlreichen ungeklärten Rechtsfragen zur Anwendung des europäischen Naturschutzrechts angeboten. Es ist grotesk, dass nach Auffassung der Behörde und des Gerichts ein erheblicher Flächenverlust eines EU-Vogelschutzgebietes nicht als Beeinträchtigung dieses Natura-2000-Gebietes bewertet wird, nur weil die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen bereits bei der Feststellung der Beeinträchtigung gegengerechnet werden. Die Schutzbestimmungen des europäischen Netzes Natura-2000 laufen so ins Leere.

Aller Aufwand umsonst?
Welche "Früchte" hat die langwierige juristische Auseinandersetzung bisher gebracht? Nur durch die Klage der Umweltverbände konnte erzwungen werden, dass der Planfeststellungsbeschluss mehrfach ergänzt und geändert werden musste. Nur auf Grund der Klage wurde die Verträglichkeitsprüfung für das umfangreiche Bauvorhaben neu erstellt und zehn zusätzliche Hektar an der Ems für den Vogelschutz bereitgestellt, die als neues Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Die Auswirkungen im Staufall für die Schiffsüberführung konnten durch schärfere Salz- und Sauerstoffgrenzwerte in der Ems zumindest minimiert werden. Auch wenn die Wasserqualität dadurch nicht befriedigend gesichert werden konnte, so wurde aber bewirkt, dass die Salzfracht im Staufall die wertvollen Süßwasserlebensräume im Naturschutzgebiet Tunxdorfer Schleife bei Vellage nicht erreicht.

Wie geht es weiter?
Ob der BUND und die ihn unterstützenden Verbände (WWF, LBU, Waddenvereeniging, Natuurmonumenten) eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg anstreben, entscheidet sich erst, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.

Sicher ist jedoch, dass bei einer Fortführung der Klage nicht mehr das einstige Motiv maßgeblich ist, das Emssperrwerk zu verhindern. Vielmehr wird ausschlaggebend sein, welche grundsätzlichen Ausführungen zu den Fragen des europäischen Naturschutzrechts in der Urteilsbegründung aus Oldenburg gemacht werden.

Vera Konermann



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