Der Ausstieg ist fällig - von Umweltminister Wolfgang Jüttner

Foto: Umweltminister Wolfgang Jüttner

Der Castor-Skandal...
Seit Wochen befasse ich mich mit den kontaminierten Atommülltransporten - und komme aus dem Staunen nicht heraus. Meine Mitarbeiter stoßen bei ihren Recherchen auf immer neue, bislang unbekannte Fälle: Nicht nur in Frankreich, auch in Großbritannien sind kontaminierte Behälter aufgefallen. Auch leere Behälter samt Waggons, die aus den Wiederaufarbeitungsanlagen zur Beladung in die Kraftwerke geschickt wurden, waren kontaminiert. Rund 16 Prozent aller Transporte der vier niedersächsischen Atomkraftwerke waren nach unseren bisherigen Zählungen auffällig.

...ein systematisches Problem
Trotzdem reden die Kraftwerksbetreiber immer noch von Einzelfällen; ein systematisches Problem wollen sie nicht erkannt haben. Dabei haben die Techniker über mehr als zehn Jahre versucht, das Problem in den Griff zu bekommen, haben miteinander, mit den Transportunternehmen und den Wiederaufarbeitern nach technischen Lösungen gesucht, ohne daß ihnen dies gelungen wäre. Niemand hat es für nötig befunden, die Behörden zu informieren.

Das niedersächsische Umweltministerium hat nie etwas erfahren, Bundesumweltministerium, Bundesamt für Strahlenschutz oder Eisenbahnbundesamt nach eigenen Angaben ebenfalls nicht. Und immer noch wird so getan, als sei das normal: Die Verantwortlichen in den Konzernzentralen der großen Energieversorger halten stur daran fest, sie hätten ja gegen keine Meldepflicht verstoßen, also hätten sie sich auch nichts vorzuwerfen. Dieses Verhalten ist für ein Unternehmen, das mit einer so gefährlichen Technologie arbeitet, absolut indiskutabel - mal ganz abgesehen davon, daß es den eigenen Vorgaben über Offenheit und Transparenz nicht gerecht wird. Es kann nicht angehen, daß die ständige Uberschreitung von Grenzwerten über Jahre und Jahrzehnte unter der Decke gehalten wird. Wenn PreußenElektra und andere norddeutsche Unternehmen - anders übrigens als die süddeutschen Kraftwerksbetreiber - das nicht ganz schnell lernen und sich entsprechend ändern, wird man sie dazu zwingen müssen.

Bundesbehörden in der Pflicht
Aufgeschreckt von den ersten Medienberichten im April, hat Frau Merkel einsehen müssen, daß es kontaminierte Atomtransporte aus deutschen Kraftwerken nach Frankreich gab. Daß man auch die Transporte zur britischen Wiederaufarbeitung überprüfen muß, hat sie erst auf erheblichen Druck aus Niedersachsen verstanden.

Seit Mai ist sie mehr damit beschäftigt, anderen die Schuld zuzuschieben, als die Vorfälle im eigenen Einflußbereich aufzuklären und die Rolle der Bundesbehörden zu untersuchen. Das Bundesamt für Strahlenschutz etwa ist für die Zulassung der Transportbehälter zuständig, und es genehmigt jeden einzelnen Atomtransport in Deutschland. Trotzdem erwähnt Frau Merkel das Amt in ihrem Bericht an den Bundestag mit keinem Wort. Das Eisenbahnbundesamt überwacht die Transporte. Warum dessen Kontrolleure bei den Stichproben, die sie angeblich bei 60 Prozent aller Transporte unterwegs gemacht haben, nie etwas Auffälliges bemerkten, hat der Bund bisher nicht klären können.

Statt dessen zeigt Frau Merkel immer wieder auf die Länder wider besseres Wissen: Sie tut so, als hätten die Länder von den Kontaminationen wissen müssen, obwohl die für Transporte gar nicht zuständig sind. Sie behauptet, die Kontrolle der Bundesbehörden ende am Kraftwerkszaun, weil für die Atomaufsicht im Kraftwerk die Länder zuständig seien. Richtig ist aber, daß das Eisenbahnbundesamt jederzeit in jedem Kraftwerk kontrollieren und sämtliche für den Transport wichtigen Unterlagen einsehen kann.

Halbherziger Castor-Stopp
Das Schlimmste ist ihre windelweiche Haltung gegenüber der Atomindustrie. Vollmundig verkündete die Bundesumweltministerin Mitte Mai einen Stopp aller Atomtransporte, bis die Vorfälle geklärt und die Ursachen beseitigt seien. Später stellte sich heraus, daß der Transportstopp gar nicht rechtswirksam ist. Frau Merkel hat nicht etwa die bestehenden Genehmigungen zurückgezogen, sondern verläßt sich einzig auf die Zusagen der Atomfirmen. Uns in Niedersachsen war klar, daß das nicht reicht, deshalb haben wir den Kraftwerken untersagt, Transporte vorzubereiten, und den Betreibern von Gorleben (BLG) haben wir verboten, beladene Behälter einzulagern.

Eine kluge Entscheidung, wie sich sehr schnell gezeigt hat. PreußenElektra kündigte forsch an, von den bestehenden Transportgenehmigungen Gebrauch zu machen und dies auch gerichtlich einzuklagen. Jetzt hat das Unternehmen erstmal eingelenkt, aus "Gutwilligkeit", wie es heißt.

Atomausstieg ist fällig
Niedersachsen wird auch weiter alles daran setzen, die Vorfälle restlos aufzuklären. Die Atomwirtschaft muß sicherstellen, daß Behälter technisch so konstruiert sind, daß keine radioaktive Verschmutzung mehr anhaftet. Wenn nötig, müssen Behälter völlig neu konstruiert werden. Bis dahin darf kein Transport rollen. Der Bund muß den Wirrwarr in den Rechtsvorschriften lösen, unmißverständliche Melde- und Transportvorschriften einführen, und das Transportwesen muß neu organisiert werden.

Die Vorschläge der Energiewirtschaft dazu genügen überhaupt nicht. Und für die Zukunft ist klar: Der Ausstieg aus der Atomwirtschaft ist fällig. Wir müssen weg von dieser Technik, deren Risiken wir nicht restlos im Griff haben. Als erstes muß Schluß sein mit der sinnlosen Wiederaufarbeitung. Dann müssen wir ein Konzept zur Abwicklung der bestehenden Kraftwerke entwickeln. Und wir müssen den Verbleib des Strahlenmülls regeln. Niedersachsen hat dazu bereits Vorschläge gemacht. Mit einer neuen Bundesregierung gibt es endlich die Chance, sie in die Tat umzusetzen.



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