"Mich ärgert es täglich..." - Interview mit der BUND-Landesvorsitzenden Renate Backhaus

Foto: Renate Backhaus

Renate Backhaus wurde auf der Delegiertenversammlung des BUND-Landesverbandes in Hannover mit überwältigender Mehrheit in ihrem Amt als Landesvorsitzende bestätigt. Sie wird den viertgrößten BUND-Landesverband drei Jahre lang durch die Höhen und Tiefen niedersächsischer Umwelt- und Naturschutzpolitik führen - in ein, so hofft sie, nicht allzu fernes zukunftsfähiges Niedersachsen. Wie das gehen kann, verrät Frau Backhaus in einem Gespräch mit der N&U.

N&U: Vor einem Jahr bist du angetreten mit dem Vorsatz, Niedersachsen zukunftsfähiger zu machen - welche Anstöße hat der BUND gegeben?

Backhaus: Auf der Veranstaltung "Zukunftsfähiges Niedersachsen" im Februar vergangenen Jahres haben wir die von BUND und MISEREOR gemeinsam herausgegebene Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" vorgestellt - darin geht es um Strategien für eine global nachhaltige, umwelt- und sozialverträgliche Entwicklung. Jetzt wollen wir die Ergebnisse der Deutschland-Studie auf Niedersachsen übertragen und haben damit begonnen, für viele Lebensbereiche Vorschläge und Konzepte zu erarbeiten. Zweitens hat der Landesverband an der Auftaktveranstaltung der Landesregierung zur "Agenda 21" teilgenommen und drittens setzen wir uns seit Monaten für die Schaffung eines Großschutzgebietes an der Elbe ein. Erfolge können wir an der Elbe sehen - ein Nationalpark ist in greifbare Nähe gerückt, ein langer Atem ist dagegen bei dem Thema "Zukunftsfähiges Niedersachsen" erforderlich...

N&U: Was hat dich im vergangenen Jahr besonders geärgert?

Backhaus: Mich ärgert es seit geraumer Zeit täglich, daß in Niedersachsen Natur- und Umweltschutzpolitik Stückchen für Stückchen abgetragen wird. Wir sind heute wieder soweit wie wir einmal vor einer rot-grünen Landesregierung waren - das ist empörend.

N&U: Ein Beispiel?

Backhaus: Wenn Ministerpräsident Schröder das Stromeinspeisegesetz für Windenergie abschaffen will, wenn die niedersächsische Landesregierung im Bundesrat den Beschleunigungsgesetzen zustimmt, wenn sie wie in den vergangenen Tagen geschehen von der Naturschutzpolitik im Wattenmeer Abschied nimmt, sind das erschreckende und frustrierende Signale. Herr Schröder hat sich vom rot-grünen Hoffnungsträger zum Aktentaschen-Träger der Industrie gewandelt.

N&U: Wie ist das Verhältnis zwischen BUND und Umweltministerium?

Backhaus: Leider ist das Verhältnis getrübt: Das niedersächsische Umweltministerium ist kein Garant mehr für eine ernstzunehmende Umweltpolitik, im Gegenteil: So hat Ministerin Griefahn jüngst die Abschaffung der niedersächsischen Sondermüll-Abgabe gefordert, um den "Wirtschaftsstandort Niedersachsen" zu sichern.

N&U: Hat das Konsequenzen für den nächsten Landtagswahlkampf?

Backhaus: Der BUND ist parteipolitisch neutral. Es ist allerdings wichtig, daß der BUND feststellt, was in den letzten fünf Jahren gelaufen ist, wo wir heute stehen und was wir in den nächsten fünf Jahren von einer zukünftigen Landesregierung erwarten. Die Bilanz der Umweltpolitik unter Griefahn und Schröder fällt deprimierend aus, das kann uns nicht ungerührt lassen.

N&U: Wo setzt der BUND-Vorstand in der nächsten Zeit seine Arbeitsschwerpunkte?

Backhaus: Wir werden unsere Arbeit an einem zukunftsfähigen Niedersachsen fortführen: Wir sollten in nicht allzu ferner Zukunft eine Studie vorlegen können, die uns klar macht, was wir in Niedersachsen ändern müssen, um dauerhaft umweltgerecht wirtschaften und leben zu können. Mein zweites Anliegen ist es, die Zusammenarbeit mit den Kreisgruppen weiter zu verbessern. Der dritte Schwerpunkt ist in der Tat die Frage, wie der BUND den Landtagswahlkampf sinnvollerweise begleitet.

N&U: Thema der diesjährigen Jahresvertreterversamnmlung war unter anderem die Frage nach neuen Strategien für die Umweltverbände - werden sie auch in Zukunft eine Rolle in Politik und Gesellschaft spielen?

Backhaus: Es besteht die Gefahr, daß die Verbände ins politische Abseits gedrängt werden.
Nur sie sind derzeit noch Lobbyisten für Natur- und Umweltschutz und der interessiert die Poltiker angesichts von Strukturkrisen und Arbeitslosigkeit immer weniger.
Bei der angeblich notwendigen Globalisierung der Wirtschaft sind (und bleiben!) wir Sand im Getriebe von Politik und Wirtschaft.
Bedenklich finde ich, daß die Umweltverbände ständig in die Rolle gedrängt werden zu beweisen, daß Umweltschutz keine Arbeitsplätze gefährdet.
Wir haben jedoch einen klaren Auftrag: Die Menschen sind beim BUND; weil sie sich um Natur und Umwelt sorgen und nicht, weil sie von uns erwarten, daß wir den Standort Niedersachsen, so wie er derzeit definiert wird, retten.

N&U: Du bist auch angetreten mit dem Wunsch, mehr Frauen für die noch immer von Männern dominierte Natur- und Umweltschutzarbeit zu begeistern - wie steht`s heute mit der Frauenquote beim BUND?

Backhaus: Das Verhältnis von Männern und Frauen ist bei BUND eigentlich nicht so schlecht: In Niedersachsen sind fast 45 Prozent der Mitglieder weiblich. In Ämtern und entscheidenden Funktionen sind allerdings - auf Landes- und auf Bundesebene - noch immer deutlich zuwenig Frauen. Wir brauchen noch mehr Frauen, die den Schritt in die Öffentlichkeit wagen und in verantwortliche Positionen beim BUND gehen.

N&U: Machen Frauen es denn besser..?

Backhaus: Frau sein allein reicht sicher nicht! Außerdem möchte ich nicht den Eindruck erwecken, als seien Frauen dazu bestimmt, die Schäden zu beheben, die die Männer angerichtet haben. Ich bin für eine grundsätzliche Quotierung in allen Bereichen des politischen und wirtschaftlichen Lebens, ob es nun ein Umweltverband, eine Partei oder ein Wirtschaftsunternehmen ist.

Das Gespräch führte Sabine Littkemann



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