Am Vortag des Treffens zwischen US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Eröffnung der Industriemesse in Hannover haben am 23. April unter dem Motto „TTIP & CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel“ über 90.000 Menschen gegen die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (CETA) protestiert.
Mehr als 100 Gruppen und Organisationen aus fast allen gesellschaftlichen Bereichen hatten zur bundesweiten Demonstration aufgerufen. Zum Trägerkreis zählen u.a. die vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Attac, der Deutsche Kulturrat, Campact, der Paritätische Wohlfahrtsverband, Agrarbündnis Niedersachsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Mehr Demokratie, Brot für die Welt, die Naturfreunde Deutschlands und Greenpeace.
Der BUND war mit vielen Aktiven aus Niedersachsen und anderen Bundesländern an der Kundgebung beteiligt. Mit Fahnen und Transparenten leisteten sie einen wichtigen Demo-Beitrag. Das „Trojanische Pferd“ von Friends of the Earth, das zuvor in Irland war und nach Hannover in Ungarn unterwegs ist, stand auf dem hannoverschen Opernplatz. Der BUND präsentierte damit ein Symbol für die Kritik an der intransparenten und undemokratischen Verhandlungsführung für TTIP und CETA.
Der Redebeitrag vom BUND-Bundesvorsitzenden Hubert Weiger im Rahmen der Auftaktkundgebung machte die Kritik des Umweltverbandes an den geplanten Freihandelsabkommen und dem undemokratischen System eindrucksvoll deutlich. So prognostizierte Weiger, dass durch jahrzehntelange Auseinandersetzungen der Umweltbewegung errungene Umweltstandards in Europa und den USA mit TTIP und CETA in Gefahr geraten. Parlamente dürfen diesem Freihandelsabkommen nicht zustimmen, wenn Konzerne vor Schiedsgerichten zukünftig notwendige Verbesserungen für Ökologie und Klimaschutz verhindern können.
Lori Wallach (Public Citizen) und Sanya Reid Smith (Third World Network) konnten veranschaulichen, dass es sich bei dem Protest um ein starkes transatlantisches Bündnis der Zivilgesellschaft handelt, das auch die weltweite Gerechtigkeit im Blick hat: „TTIP und CETA gefährden demokratische, ökologische und soziale Standards und sollen eine konzernfreundliche Paralleljustiz schaffen“, so die Organisatoren der Demonstration. „Dagegen protestieren Menschen aus ganz Europa und Amerika gemeinsam.“
Die Komplexität der möglichen Inhalte und Gefahren für viele Lebensbereiche hält die Menschen nicht vom Widerstand ab, sondern trägt eher dazu bei viele ungewöhnliche Bündnispartner zusammenzubringen.
Ein Handel zwischen Ländern und Kontinenten muss ökologische und soziale Standards im Sinne einer Zukunftsfähigkeit verbessern und darf sie nicht aushöhlen, das wird von immer mehr Menschen erkannt und gefordert. Hubert Weiger erklärte: „Es gibt etliche Bereiche, in denen US-Standards höher sind als in der EU – etwa bei der Luftqualität und den damit verbunden Abgasstandards. Wir wehren uns dagegen, dass mit TTIP und CETA hochwertige Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt als Handelsinteressen abgestempelt werden – und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks. Hier wird eine Politik durchgesetzt, die einzelne Profitinteressen von Konzernen über das Allgemeinwohl stellt. Wir sind für eine solidarische Welt, in der Vielfalt eine Stärke ist.“
Trotz dieser Proteste wollen die Bundeskanzlerin, der US Präsident und die EU Kommission noch in diesem Jahr TTIP abschließen.
Tilman Uhlenhaut