Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Niedersachsen - 700 Maßnahmen

Foto: Harte Gewässerunterhaltung
Leider typisch: "Harte" Gewässerunterhaltung verhindert an einem Quellarm der Heidenauer Aue (Landkreis Harburg, Samtgemeinde Tostedt) die natürliche Lebensraumentwicklung. Wie die meisten niedersächsischen Quellbäche wird auch dieser Quellarm maschinell unterhalten, obwohl nur bei Handunterhaltung sich ein standorttypischer Erlensaum und damit ein sommerkühles Fließgewässer der Forellenregion entwickeln kann. Außerdem führt das überbreite und viel zu tief gebaggerte Kastenprofil zu extremen Sandeinträgen aus der Landwirtschaft in das Gewässer - Wüste statt eines lebendigen Baches ist die Folge. Foto: L. Tent

Die niedersächsische Wasserwirtschaft gerät in eine Kreativphase. Pläne für nahezu 700 Maßnahmen sind beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) aus den landesweit 28 Gebietskooperationen eingereicht worden. Die Gebietskooperationen sind die "Runden Tische" der verschiedenen Gewässernutzer und des ehrenamtlichen Naturschutzes in den 28 Einzugsbereichen von Elbe, Ems und Weser. Mit Hilfe dieser Einrichtungen soll landesweit die erfolgreiche Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in gewässerspezifischen und regionalen Einheiten in erreicht werden.

Jetzt geht es darum, die vorgeschlagenen Maßnahmen daraufhin abzuklopfen, ob sie technisch, rechtlich und finanziell auch realisierbar sind. Vorgeschlagen wird zum Beispiel der Kauf eines fünf bis zehn Meter breiten Uferrandstreifens, der den Bach vor dem Stoffeintrag aus der angrenzenden Ackerbewirtschaftung schützt und ihm etwas mehr Raum lässt, kleine natürliche Mäander zu bilden. Dadurch könnte sich ein begleitender Erlensaum als Lebensraum und Vernetzungselement in der strapazierten Landschaft entwickeln. Ein anderes Beispiel: der Umbau eines undurchlässigen Wehres in eine so genannte Sohlgleite, die es Fischen und wirbellosen Kleintieren ermöglicht, den Bach zu durchwandern.

Diese und weitere Maßnahmen dienen dem gesetzlich vorgegeben Ziel, im Jahre 2015 den "guten ökologischen Zustand" der Gewässer zu erreichen. Nach Ansicht der Umweltverbände werden diese 700 Maßnahmen allerdings bei Weitem nicht ausreichen, für die insgesamt 16.000 Kilometer langen niedersächsischen Gewässerstrecken den geforderten Zustand zu garantieren.

Weitere 1.000 Maßnahmen wurden dem NLWKN zwar gemeldet, sollen aber wegen längerer Vorbereitung oder augenblicklicher Schwierigkeiten zunächst zurückgestellt und erst in einem zweiten Anlauf umgesetzt werden. Aber auch hier zweifeln die Ökologen aus den Verbänden, dass selbst bei einer vollständigen Umsetzung der gute Zustand überall testiert werden kann. Denn um die Bestände der einheimischen Wasserpflanzen, der artenreichen wirbellosen Fauna und den natürlichen Fischbestand von Aal bis Lachs wieder aufzubauen, werden noch viele weitere Maßnahmen notwendig sein. Diese müssen aber nicht immer viel Geld kosten, im Gegenteil: Sie können sogar Geld sparen, wenn beispielsweise die Gewässerunterhaltung - etwa die ökologisch katastrophale Entkrautung eines Fließgewässers - eingestellt oder stark reduziert wird. Leider breiten sich derlei Erkenntnisse nur langsam aus.

So oder so wird man nach Einschätzung des BUND-Gewässerexperten Gerd Wach mit dem jetzt auf 4,5 Millionen Euro pro Jahr aufgestockten Fonds für Renaturierungsmaßnahmen nicht auskommen. Wach, Leiter des "Wassernetz"-Projektes wörtlich: "Daran werden sogar die in Rede stehenden 45 Millionen Euro, die aus der Abwasserabgabe angespart wurden und die in den Jahren 2010 bis 2012 für Verbesserungsmaßnahmen nach Freigabe durch das niedersächsische Kabinett zur Verfügung stehen könnten, nicht wirklich etwas ändern". Denn es muss nicht nur die Struktur der Fließgewässer verbessert werden. Für einen guten Zustand der Gewässer müssen der hohe Nitratgehalt im Grundwasser reduziert, das giftige Cadmium und das erbgutverändernde Tributylzinn aus den Sedimenten der Flüsse entfernt , Fischtreppen und Aaldurchlässe an Wasserkraftanlagen gebaut sowie schließlich die von nur ein paar Schiffen befahrenen und aufwändig unterhaltenen Bundeswasserstraßen Ober- und Mittelweser, Aller und Leine ökologisch rückgebaut werden.

Wach spekuliert, dass den Bächen und Flüssen die Beschwerde der deutschen Umweltverbände bei der EU helfen könnte. Die Verbände haben angemahnt, dass die wassergebundenen "Dienstleistungen", die Flüsse, Seen und Grundwasser bereitstellen, eben mehr sind als nur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, wie es die deutsche Wasserwirtschaftsverwaltung nach Brüssel gemeldet hat. Auch Schifffahrt, Wasserkraft, Kühlwasser und Hochwasserschutz wollen die Verbände berücksichtigt sehen. Sollte die EU diesen Überlegungen folgen, dann könnten nach dem Verursacherprinzip weitere Maßnahmen finanziert oder durchgesetzt werden.

Ist der Weg auch noch weit zu naturnahen und artenreichen Flusslandschaften in Niedersachsen, so sieht Wach doch die ersten und zum Teil vielversprechenden Schritte als getan an und blickt nach vorn: "Wir werden auch in Zukunft dafür sorgen müssen, dass der Elan in der Wasserwirtschaft nicht nachlässt und die Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in die Realität umgesetzt werden." Dafür will Wach auch weiterhin Unterstützer vor Ort gewinnen, denen er individuelle Information und Beratung anbietet.

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Kontakt:
Gerd Wach
WASSERNETZ Niedersachsen/Bremen beim BUND Landesverband Niedersachsen e.V.
Tel.: 0511/96569-0
www.wassernetz.org



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