Gericht kippt Nationalpark Elbtalaue - was nun?

Foto: Elbe
"Lebendige Elbe" nun schutzlos ausgeliefert? Blick vom Kniepenberg über die Elbe in das Amt Neuhaus. Foto: F. Neuschulz

Gerade mal ein Jahr hat der jüngste deutsche Nationalpark bestanden, da droht ihm auch schon wieder das Aus. Ein Gericht hat den Nationalpark Elbtalaue für nichtig erklärt. Eckart Krüger von der BUND-Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg zu den Auswirkungen eines unerwarteten Urteils.

Ernsthaft gerechnet damit hat keiner: Nach Meinung der Richter des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg entspricht der Nationalpark Elbtalaue nicht dem Wortlaut des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes. Ein Nationalpark sei nur dann rechtens, wenn er sich zum Zeitpunkt der Ernennung "in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflußten Zustand" befinde.

Damit haben die Nationalparkgegner den ersten Fluß-Nationalpark Niedersachsens aus den Angeln gehoben.

Daß das Kriterium der unberührten Natur für fast alle deutschen und europäischen Nationalparke gleichermaßen nicht zutrifft, spielte in der Gerichtsverhandlung offenbar keine Rolle.

Ebensowenig, daß der Nationalpark Elbtalaue langfristig in die Richtung "nicht oder nur wenig vom Menschen beeinflußt" entwickelt werden sollte weshalb er auch als ein "Entwicklungsnationalpark" bezeichnet wird.

Bei den Gegnern des Nationalparks Landvolk, Jagdgenossenschaften und einem eigens gegründeten Verein gegen den Nationalpark herrschte helle Freude angesichts des Gerichtsurteils.

Es gab aber auch andere Reaktionen in der Region. Beklommenheit bis Entsetzen erfaßte vor allem Naturschützer, Fremdenverkehrsorganisationen, Hoteliers und Gastwirte. Selbst die CDU-Mittelstandsvereinigung hätte dem Nationalpark etwas Positives abringen können.

Ganz klar für uns an der Elbe bedeutet dieses Urteil ein herber Rückschlag nach fast zehn Jahren Öffentlichkeitsarbeit für den Nationalpark im "Hinterland Niedersachsens" an der ehemaligen DDR-Grenze. Fördergrundlagen für eine "Modellregion Elbtal" fallen weg, ein Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie für eine der letzten dynamischen Landschaften Niedersachsens ist kaum noch möglich. Schließlich wird mit dem Wegfall des Nationalparks auch die Bewahrung der Elbe als letztem relativ frei fließenden Strom in Deutschland wieder viel schwieriger.

Vorbei oder doch noch nicht?
Umweltminister Wolfgang Jüttner machte bei einem Besuch an der Elbe deutlich, daß er den Nationalpark noch nicht ganz verloren sehe.

Mache die Region geschlossen Druck, fänden Bauern, Naturschützer und Wirtschaftsinteressen zusammen, würde er ein Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einleiten nicht zuletzt auch wegen der bundesweiten Bedeutung des Gerichtsurteiles.
Die BUND Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg hat daraufhin mit allen Befürwortern des Nationalparks einen weiteren Rettungsversuch für den Nationalpark gestartet per Aufruf sollten möglichst viele Menschen, Initiativen und Kommunen den Nationalpark einfordern. Mit Erfolg: Am 20. April hat der niedersächsische Umweltminister eine Beschwerde gegen das Lüneburger Urteil beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin eingereicht.

Unterstützung erhält Jüttner von zahlreichen Ministerkolleginnen und -kollegen aus anderen Bundesländern, die sich gleichermaßen um die Rechtssicherheit der bundesdeutschen Nationalparke Sorgen machen.

Solange die rechtliche Uberprüfung des Lüneburger Urteils nicht abgeschlossen ist, bleibt der Nationalpark Elbtalaue in jedem Fall in seiner bisherigen Form bestehen.

Egal, wie die Sache ausgeht, der BUND wird sich weiterhin für ein Großschutzgebiet mit verbindlichen Naturschutzstandards an der Elbe einsetzen.
Das ist im besten Fall ein Biosphärenreservat mit einem Nationalpark als Kernzone. Ein Biosphärenreservat ohne Nationalpark ist, selbst wenn es als verbindliche Schutzkategorie ins Niedersächsische Naturschutzgesetz aufgenommen wird, nur die zweitbeste Lösung.

Eckart Krüger
Vorstandsmitglied der BUND-Kreisgruppe
Lüchow-Dannenberg und Mitglied im Schutzgebietsbeirat


Stichwort: Biosphärenreservat

In den östlichen Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bestehen neben den Nationalparken landesrechtlich verankerte Biosphärenreservate. Seit 1998 ist diese etwas schwächere Schutzkategorie für Großgebiete auch im Bundesnaturschutzgesetz verankert (BNatSchG vom 29.Sept. 1998, §§ 14a "Biosphärenreservate"). Diese naturschutzrechtliche Schutzkategorie ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff Biosphärenreservat der UNESCO. Sie vergibt diesen Titel im Rahmen ihres Programms "Man and Biosphere" (Mensch und Biosphäre) weltweit für solche Regionen, die sich durch besonders schöne und typische Natur- und Kulturlandschaften auszeichnen. Natur und Kultur sollen sich hier durch angepaßte Wirtschaftsweisen und abgestufte Schutzzonen im Einklang miteinander entwickeln.

Den einzelnen Ländern bleibt es überlassen, einen rechtlich verbindlichen Schutzstatus für diese Gebiete zu erlassen, in Deutschland meist Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Nationalparke oder seit 1998 eben auch Biosphärenreservate. Solange Niedersachsen diese Schutzkategorie nicht in sein Landesnaturschutzgesetz übernommen hat, ist der 1997 von der UNESCO verliehene Titel "Biosphärenreservat Flußlandschaft Elbe" also nicht viel mehr als ein unverbindliches Prädikat, gegen das selbst eingefleischte Nationalparkgegner nichts einzuwenden haben.

lit



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