"Kein sanfter Tourismus an Ostfrieslands Küsten"

Foto: Manfred Knake

N&U: 1986 wurde der Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" eingerichtet, um das Wattenmeer in seiner natürlichen Eigenart zu erhalten. Gleichzeitig haben die Besucherzahlen auf den ostfriesischen Inseln und auf dem Festland in den vergangenen Jahren neue Rekordwerte erreicht: Wie ist das möglich?

Knake: Die Nationalparkverordnung läßt eine Begrenzung oder Regelung des Besucherverkehrs nicht zu. Entscheidend ist meiner Meinung nach, daß die meisten Touristen hierher kommen, weil sie sich erholen wollen und nicht, weil es hier einen Nationalpark gibt. Sie wissen meist nicht einmal von dessen Existenz. Erst seit kurzem kommt, zusätzlich, eine neue und noch sehr kleine Gruppe von Urlaubern, die sich bewußt für den Nationalpark und seine Natur interessieren.

N&U: Wie geht die Fremdenverkehrsindustrie mit dem Nationalpark um?

Knake: Sie hatte und hat große Vorbehalte gegen den Nationalpark. Es wird gesagt, daß der Nationalpark den Menschen "von oben" übergestülpt worden sei, daß er die wirtschaftlichen Möglichkeiten und vor allen Dingen den Fremdenverkehr auf den Inseln und an der Küste behindere und so weiter.

Eine ähnliche Diskussion mit den gleichen Argumenten, mit denen der Nationalpark verhindert werden sollte, läuft jetzt übrigens mit der FFH-Richtlinie (Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, Anm.d.R.) und Natura 2000 (Europäisches Schutzgebietsystem, Anm.d.R.). Auf den Nationalpark wird nur vereinzelt in einigen Prospekten hingewiesen, meist bleibt es jedoch bei dem undifferenzierten Angebot von Weite und guter Luft, von Strand
und Meer und ein paar Möwen. Kein Wort beispielsweise davon, daß der Nationalpark Drehscheibe des Vogelzugs ist. Die Tourismusbetreiber wissen nicht oder wollen nicht wissen, welchen Naturraum sie hier vermarkten.

N&U: Was müßte Ihrer Meinung nach geschehen?

Knake: Wünschenswert wäre natürlich eine zahlenmäßige Besucherbegrenzung. Das aber ist nicht durchsetzbar, schon allein deshalb nicht, weil die riesigen Beherbungskapazitäten, die in den letzten zwanzig Jahren geschaffen worden sind, ausgelastet werden müssen. Dann bleibt nur noch die Besucherbetreuung und -lenkung, die allerdings bei großen Massen von Touristen auch an ihre Grenzen stößt. Den von den Umweltverbänden ins Spiel gebrachten "Sanften Tourismus" halte ich hier
übrigens für eine Illusion. Die Verbände sollten sich daran erinnern, für wen der Nationalpark eigentlich gemacht ist, mit anderen Worten: sich mehr für die Naturschutzbelange an der Küste einsetzen.

N&U: Funktioniert das derzeitige Modell der Information und Aufklärung im Nationalpark?

Knake: Die Aufklärungsarbeit der Nationalparkhäuser auf den Inseln
und dem Festland ist ohne Zweifel sehr wichtig. Absolut unzureichend ist dagegen die Besucherlenkung und Information draußen in der Fläche. Hier geschehen die meisten Störungen durch Urlauber, und das überwiegend durch Unkenntnis. Ich plädiere seit Jahren für eine effektive Beschilderung der unterschiedlichen Zonen und der Wege im Nationalpark und vor allen Dingen für hauptamtliche Ranger - das Modell kommt aus den USA - mit hoheitlichen Befugnissen. Sie würden die Menschen draußen in der Natur informieren und wären im Einzelfall durchaus befugt, eine grobe Mißachtung der Nationalparkvorschriften mit Bußgeldern zu ahnden. Dieses Modell wird leider von den Gemeinden abgelehnt.

N&U: Ein Ausblick in die Zukunft?
Knake: Ich habe wenig Hoffnung, daß sich in den nächsten Jahren etwas zum Positiven verändert. Eher glaube ich, daß die Tourismuszahlen durch Kurzurlaube weiter steigen werden und daß der Druck auf die Landschaft noch zunehmen wird.

Das Gespräch führte Sabine Littkemann.

Manfred Knake, 50, Grundschullehrer, seit 12 Jahren Landschaftswart im Landkreis Aurich, bis 1996 Mitglied im Nationalbeirat, heute Sprecher der "Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland"



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