BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


A 22: 120 Kilometer Beton statt Natur!?

Wo das Hämmern des Schwarzspechts und der Ruf des Kranichs die Stille des Waldes durchbrechen und der Schwarzstorch sein heimliches Leben führt, befinden wir uns in der "Malse", einem alten Quell- und Auwaldgebiet in der Bremervörder Geest. Hier wachsen sogar Leberblümchen. Wo wie tausend Tautropfen der Sonnentau im Sonnenlicht glitzert und Wollgras im Frühjahr einen weißen Teppich über das Moor legt, erleben wir das "Wasserkruger Moor", das sich im Grenzbereich zwischen Geest und Elbmarsch gebildet hat. Wo sich Fischotter tummeln, Neunaugen (eine Fischart) durchs Wasser schlängeln und der Pirol sein "dülio-liu" hören lässt, erstrecken sich die Auwälder und ausgedehnten Wiesenniederungen des naturnahen Flüsschens "Schwinge" bei Stade. Wo jedes Jahr über hunderttausend Watvögel und Gänse auf ihrem Zug nach Süden und Südwesten eine Rast einlegen und Hunderte Wiesenvögel brüten, sind die "Marschen am Jadebusen".

So verschieden diese Naturgebiete auch sind, so haben sie doch zwei Dinge gemeinsam: Es handelt sich hier um europäische Schutzgebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete) und sie liegen zwischen 50 und 500 Metern entfernt von möglichen Trassen der geplanten so genannten Küstenautobahn A 22. Auf über 120 Kilometer Länge soll diese den Nordwesten Niedersachsens parallel zur A 1 zerschneiden - von der Elbe nördlich von Stade bis zum Ammerland bei Westerstede - um den Transitverkehr zwischen Skandinavien und Holland zu erleichtern. Die A 22 steht im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) im so genannten weiteren Bedarf, mit anderen Worten: Eine Realisierung dieser Autobahn ist bis zum Jahr 2015 (Laufzeit BVWP) aufgrund knapper Kassen nicht vorgesehen. Wegen der immensen Auswirkungen dieses Straßenbaus auf Natur und Landschaft sind die niedersächsischen Straßenplanungsbehörden gesetzlich verpflichtet, einen besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrag zu erfüllen. Mit der Festlegung einer nun vorgestellten südlich verlaufenden Vorzugstrasse für die A 22 werden die Behörden dieser Verpflichtung zum Schutz der Natur allerdings in keiner Weise gerecht. Auch diese Variante zerschneidet oder beeinträchtigt immer wieder höchst wertvolle Naturgebiete.

Im Oktober 2007 wurde das Raumordnungsverfahren für die A 22 eingeleitet, bis Mitte Januar konnten Stellungnahmen abgegeben werden. Der BUND stellte zusammenfassend fest: Die Unterlagen erfüllen den besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrag nicht. Die Erfassungen von Tieren und Pflanzen sind lückenhaft und die Bearbeitung der FFH-Verträglichkeit ist unzureichend. Darüber hinaus steht die A 22 in Widerspruch zu nationalen und europäischen Naturschutzzielen. Sie konterkariert die nationalen und internationalen Anstrengungen zur Eindämmung der Gefahren des Klimawandels und zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Sie zerschneidet zahlreiche verkehrsarme und unzerschnittene Räume, die eine wichtige Funktion im Verbund der oben genannten europäischen Schutzgebiete haben.

Aber das ist noch nicht alles: Die A 22 würde nicht nur wertvolle Naturgebiete und Landschaften zerschneiden. Sie bedroht nach Meinung der Kritiker vor allem auch die regionale Wirtschaft durch Kaufkraftabfluss. Die Häfen brauchen die A 22 nachweislich nicht, da der Verkehr aus den Häfen nach Süden geht und Querverkehre zwischen den Häfen durch die Küstenschifffahrt, die Bahn und gut ausgebaute Bundesstraßen problemlos bewältigt werden können. Für den im ohnehin unerwünschten europäischen Transitverkehr auf der Straße würde die A 22 zu weit nördlich liegen.
Der BUND gibt zu bedenken, dass eigentlich niemand mehr in Deutschland die Finanzierung eines derart schädlichen Projektes verantworten kann!

Susanne Grube

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Stichwort Raumordnungsverfahren (ROV)
Im Raumordnungsverfahren wird - in der Regel an Hand verschiedener Trassenvarianten - geprüft, ob das geplante Vorhaben mit den Raumordnungsprogrammen des Landes und der Landkreise vereinbar ist und ob es mit anderen Planungen und Maßnahmen kollidiert. Im Rahmen der öffentlichen Bürgerbeteiligung werden die Unterlagen im Internet veröffentlicht und in den betroffenen Gemeinden vier Wochen lang zur Einsichtnahme ausgelegt. Die Bürgerinnen und Bürger können bis zwei Wochen nach Auslegungsfrist ihre Einwände und Anregungen bei der Gemeinde äußern. Die Gemeinde gibt die Stellungnahmen gebündelt an den Verfahrensträger weiter, der diese bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. Das ROV wird dann mit einer "Landesplanerischen Feststellung" abgeschlossen, die aber keine unmittelbare Rechtswirkung hat. Erst, wenn ein sich anschließendes Planfeststellungsverfahren, in dem flurstücksgenau geplant wird, beendet ist und ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt, sind Klagen gegen das Vorhaben möglich.

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Quelle: http://archiv.bund-niedersachsen.de/service/bundmagazin/12008/a_22_120_kilometer_beton_statt_natur/