Im Trend: Ökostrom - Es gibt viele Anbieter es lohnt sich, genau hinzusehen

 

Was Umweltschützer seit Jahren fordern, ist endlich Wirklichkeit geworden. Das Energiewirtschaftsgesetz, das die Erzeugung und Verteilung von Strom und Gas rechtlich regelt, wurde am 24. April vergangenen Jahres nach 60 Jahren geändert: Das Monopol der Energieversorger wurde abgeschafft. Die Liberalisierung des Strommarktes macht nun - zumindest theoretisch - einen freien Stromhandel möglich.

Immer mehr BürgerInnen fragen nach der Möglichkeit, den eigenen Strombedarf umweltfreundlich, also aus regenerativen Energien, abzudecken. Mit der Aufhebung der Gebietsmonopole ist dies möglich: Der Kunde kann sich seit April 1998 aussuchen, von wem er den Strom beziehen möchte. In der Nische Ökostrom herrscht deshalb Aufbruchstimmung - mehr als ein Dutzend Anbieter tummeln sich inzwischen auf dem Markt.

Neben einigen Alternativ-Anbietern wittern auch immer mehr traditionelle Energieversorgungsunternehmen ein Geschäft mit sauberem Strom aus Sonne, Wind und Wasser.
Ein anerkanntes Zertifikat für das Produkt Ökostrom - vergleichbar etwa mit dem ökologischen Landbau - fehlt bislang.

Einige Anbieter setzen eigene Standards, und auch die Technischen Uberwachungsvereine (TUV) sind in das Geschäft mit der Stromzertifizierung eingestiegen. Greenpeace hat mit seiner Aktion "Stromwechsel" ebenfalls ein Labelmuster vorgelegt.

Schließlich erarbeitet auch das Öko-Institut Kriterien für ökologisch sauberen Strom. Angesichts einer Vielzahl von Strategien, Anbietern, Bedingungen und Tarifen ist es deshalb umso wichtiger, daß die Verbraucher sich informieren und die Stromangebote gründlich und kritisch prüfen.

Grüner Strom
Der BUND hat gemeinsam mit dem Naturschutzbund (NaBu) und der Organisation EuroSolar den Verein Grüner Strom-Label e.V. gegründet: Er soll klar definieren, was umweltfreundlicher "grüner" Strom ist, Kriterien für ein Gütesiegel oder Label erarbeiten und Richtlinien zur Zertifizierung aufstellen. Ein erster Entwurf liegt bereits vor.
Als grüner Strom werden solche Stromarten gekennzeichnet, die naturverträglich aus erneuerbaren Energiequellen oder in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erzeugt werden, also Strom aus:

 

  • Windkraftanlagen
  • Photovoltaikanlagen
  • Biomasse einschließlich Anlagen zur Umwandlung biologischer Reststoffe
  • Wasserkraftanlagen bis zu einer Leistung von 10 Megawatt (MW)
  • Solarthermische Kraftwerke
  • Geothermische Anlagen
  • Wellenkraftanlagen und Gezeitenkraftwerke
  • Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) mit einem Mindest-Wirkungsgrad für die jeweiligen Brennstoffe (z.B. mindestens 75 Prozent bei fossilen Brennstoffen)

Bei der KWK wird die im Kraftwerk anfallende Abwärme nicht wie üblich "weggekühlt", sondern genutzt. Wichtig: KWK-Anlagen dürfen im grünen Strom-Mix nicht mit Braunkohle oder Atomkraft betrieben werden. Der KWK-Stromanteil darf 50 Prozent nicht überschreiten.
Aus diesen Energiequellen stellt der Stromanbieter einen Strom-Mix zusammen, mit dem der Kunde ganzjährig versorgt wird (Vollversorgung).

 

Zwei Ökostromanbieter im Vergleich

Foto: Photovoltaik-Anlage
Die Photovoltaik-Anlage (2,2 kW Nennleistung) auf dem Dach der Werner von Siemens-Berufsschule in Hildesheim erzeugt soviel STrom, wie ein Familienhaushalt mit sparsamen Geräten verbraucht. Foto: Peter Stenhorst, SOLARSYSTEME, 31832 Spring

1. Naturstrom AG (NATAG)

Um Umweltschützern in ganz Deutschland den Kauf von Naturstrom zu ermöglichen, haben führende Mitglieder der großen Umweltverbände im vergangenen Jahr einen Stromhandel aufgemacht und die Firma Naturstrom AG (NATAG) gegründet. Das Prinzip der NATAG funktioniert folgendermaßen: Der Kunde bezieht seinen Strom weiterhin bei seinem regionalen Energieversorger. Die Stromrechnung geht aber an die NATAG. Sie erhöht die Rechnung um einen Umweltaufschlag von derzeit 9 Pfennig pro Kilowattstunde und schickt sie an den Kunden weiter.

 

Die Strommenge, die der Kunde verbraucht, kauft die Naturstrom-AG bei den Erzeugern von Strom aus Sonne, Wind, Erdwärme, Biomasse oder Wasser ein.
Diese Strommenge wird in das öffentliche Netz eingespeist und vom örtlichen Energieversorger zu den gesetzlich geregelten Vergütungssätzen abgenommen (zur Zeit für Wind und Sonne 16,5 Pfennig pro kWh).

Die Mehreinnahmen von 9 Pfennig investiert die NATAG in den Bau neuer Anlagen zur Erzeugung umweltfreundlicher regenerativer Energie. Anlagen, die schon bestehen oder nach dem Stromeinspeisegesetz bereits wirtschaftlich arbeiten, werden nicht unter Vertrag genommen.
Die Naturstrom AG baut also erst einmal auf die Verrechnung von Strom und Stromkosten anstatt auf die physikalische Stromleitung.
Damit umgeht das Unternehmen die zum Teil skandalös hohen Durchleitungsgebühren, die die Energieversorgungsunternehmen für die Durchleitung von Strom aus regenativen Quellen verlangen - in Einzelfällen bis zu 19 Pfennig pro Kilowattstunde! Zum Vergleich: Den eigenen Strom leiten die einstigen Strommonopolisten für 5-10 Pfennig pro Kilowattstunde durchs Netz.
Gegen diese ungleiche Behandlung, die de facto einer Behinderung der Stromdurchleitung gleichkommt und einen echten Wettbewerb unmöglich macht, hat Greenpeace Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt.

 

Ein Rechenbeispiel:
Eine Person hat einen Jahresstromverbrauch von 1000 kWh und zahlt dafür bei seinem Energieversorgungsunternehmen 280 Mark jährlich. Nun wird sie Kunde bei der Naturstrom AG und zahlt 370 Mark, also 90 Mark mehr im Jahr. Von den 90 Mark können einem Windkraftanlagenbetreiber im Hunsrück 75 Mark für 990 kWh Strom gegeben werden, damit dieser seine Anlage wirtschaftlich betreiben kann, sie also überhaupt erst bauen kann. Die übrigen 15 Mark gehen an eine Besitzerin einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) in Husum für 10 kWh. Mit anderen Worten: Der Windmüller im Hunsrück erhält zusätzlich zur gesetzlichen Einspeisevergütung 7,5 Pfennig pro kWh, die Betreiberin der PV-Anlage bekommt 1,50 DM pro kWh zusätzlich, um wirtschaftlich Strom produzieren zu können.


2. EWE NaturWatt GmbH
Besonders dort, wo bereits ein großes Angebot an regenerativer Energie besteht, beispielsweise in Norddeutschland durch die Windkraft, werben regionale Stromversorger mit verschiedenen Angeboten für Ökostrom.
Auch die EWE mit Sitz in Oldenburg, die vor allem das nordwestliche Niedersachsen mit Strom beliefert, will in das Geschäft mit Ökostrom einsteigen. Dazu hat sie eine eigene Tochter, die EWE NaturWatt GmbH gegründet.

Kunden der EWE können gegen einen Aufpreis von 6,5 Pfennig pro Kilowattstunde (plus Mehrwertsteuer) Öko-Strom kaufen, den die EWE in ihren 44 Windkraftanlagen und 11 Mülldeponiegas-Kraftwerken produziert.
Die Kunden können einen Teil ihres Strombedarfs oder ihren ganzen Strom aus den genannten Quellen decken lassen. Wodurch die fast 30prozentigen Mehrkosten entstehen, bleibt allerdings unklar: Beide Anlagentypen werden bereits wirtschaftlich betrieben, Neuinvestitionen sind zur Zeit nicht geplant. Wenn die Kunden mehr Strom bestellen als die Anlagen liefern, sollen Photovoltaikanlagen errichtet werden.

Völlig unberücksichtigt bleiben die 380 im Gebiet stehenden privaten Anlagen. Schlimmer noch, die gesetzlich vorgeschriebene Vergütung nach dem Stromeinspeisungsgesetz will die EWE den privaten Erzeugern regenerativer Energie nur noch vorbehaltlich zahlen, da die EWE-Mutter PreussenElektra (60% Atomstromanteil) gegen das Stromeinspeisungsgesetz klagt. Damit arbeitet die EWE trotz des Verkaufs von Ökostrom gegen die umweltpolitischen Ziele Klimaschutz und Atomausstieg eine Tendenz, der ein Umweltverband nur energisch entgegentreten kann.

Der Unterschied zwischen den beiden vorgestellten Ansätzen: Naturstrom AG GmbH einerseits und NaturWatt andererseits ist vielen kritischen Verbrauchern offensichtlich bewußt: Auf der Umweltmesse Ökologa im November vergangenen Jahres in Oldenburg wählten die Besucher den Strom der Naturstrom AG zum Ökologa-Produkt des Jahres 98. Das Konzept der EWE landete abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze.

Thomas Myslik

Foto: Thomas Myslik

Thomas Myslik, 36, Diplom-Ingenieur und angehender Erwachsenenpädagoge, arbeitet im BUND-Landes- und im Bundesarbeitskreis Energie. Für den BUND Bundesverband sitzt Myslik als Beobachter im Aufsichtsrat der Naturstrom AG.

Die Anschriften der vorgestellten Ökostromanbieter:
Naturstrom AG i.G.
Mindener Str. 12
40227 Düsseldorf
Tel.: 0211-770 96 86-0
Fax: 0211-770 96 86-9
email: info@naturstrom.com
EWE NaturWatt GmbH
Moslestr.3
26122 Oldenburg
Tel. 0441-350910-0

 

Stichwort Stromnetz:
Ein großer See mit Zu- und Abflüssen
Der Begriff Stromdurchleitung ist streng genommen nicht korrekt, da der Strom nicht über Hunderte von Kilometern von einem ostfriesischen Windrad zu einem Münchener Kühlschrank transportiert werden kann. Er wird bereits vorher verbraucht.
Das Stromnetz ist wie ein großer See, in den ständig an vielen Stellen Wasser eingeleitet und an anderen Stellen genau soviel Wasser wieder abgezapft wird. Je weiter die Stelle des Entnehmens von der des Einleitens entfernt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß es sich physikalisch noch um dieselben Teilchen handelt, da das eingeleitete Wasser zum großen Teil bereits wieder abgeflossen bzw. durch anderes ersetzt worden ist. Insgesamt bleibt die Wassermenge im See jedoch konstant. Voller als voll kann der See nicht werden - deshalb verdrängt jede Einleitung andere Einleitungen, wenn nicht gleichzeitig der Wasserverbrauch steigt.
Das heißt übertragen auf die Stromleitung: Je mehr regenerative Energie in das Netz eingespeist wird (oder eingespeist werden muß!), desto weniger Kraftwerksstrom können die Energieversorger und Netzbetreiber selber ins Netz geben. Auch wenn der ostfriesische Windstrom nicht in München ankommt, so hat er doch am Ende dieselbe Menge (Kohle- und Atom-) Strom aus dem Gesamtnetz verdrängt.
Lit

Uns interessiert Ihre Meinung zu diesem Thema: Was halten Sie von den hier vorgestellten Konzepten zur Vermarktung umweltfreundlicher Energie? Bitte schreiben Sie an die Redaktion der Niedersachsenbeilage:
BUND Landesverband
Sabine Littkemann
Goebenstr. 3a
30161 Hannover
Fax: 0511 - 96 56 9 - 27
oder schicken Sie ein email an:
Sabine.Littkemann@bund.net



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