Erster Spatenstich für Moorautobahn - Ein kleiner Vogel mit großem Gewicht könnte Pläne für die A 26 vereiteln

Foto: Moorgürtel
Der Moorgürtel soll zerschnitten werden (Ausschnitt Buxtehude)
Foto: Protestplakat
Der Protest kommt in die Jahre: Seit Beginn der 90er Jahre erinnert dieses Schild zwischen Rübke und Buxtehude an die Autobahnpläne
Karte

Zeichnung: Wachtelkönig
Wachtelkönig (Crex crex): Knapp rebhuhngroßer, scheuer Vogel (Fam. Rallen) mit bräunlichem Kleid, oberseits mit schwarzer Längsfleckung, Flanken deutlich braun quergebändert. Stimme ein knarrendes "rerrp-rerrp". Sommervogel in Mittel- und südlichem Nordeuropa, hier Bewohner üppiger und feuchter Krautvegetation der Ebene, z.B. hochwüchsige Feuchtwiese und Sümpfe.

Seit Jahrzehnten erhitzen sich im Unterelberaum die Gemüter an der geplanten Bundesautobahn A 26 zwischen Hamburg und Stade. Ihre Befürworter versprechen sich durch die neue Autobahn eine Entlastung der stark befahrenen Bundesstraße 73 ihre Gegner sehen in dem Autobahnbau vor allem einen gravierenden und unnötigen Eingriff in die Natur. Seit Beginn des von Niedersachsen vorangetriebenen Verfahrens setzt sich der BUND gemeinsam mit anderen Umweltverbänden für ökologisch verträglichere Alternativen zur A 26 ein, bisher vergeblich. Nach Jahrzehnten der Planung soll es nun ernst werden: Am 22. Januar hat Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann mit dem ersten Spatenstich den Bau der Autobahn eingeleitet. Heiner Baumgarten vom BUND Landesverband Niedersachsen hält den Planfeststellungsbeschluß für den ersten Bauabschnitt zwischen Stade und Horneburg dennoch für rechtswidrig. Zu Gründen und Hintergründen sein folgender Bericht.

Ende November 1997 erhielten die beteiligten Naturschutzverbände den Planfeststellungsbeschluß zum ersten Bauabschnitt der A 26 zwischen Stade und Horneburg. Damit haben Politik und Verwaltung unmißverständlich deutlich gemacht, daß sie fest entschlossen sind, Natur und Landschaft im Unterelberaum weiter zu zerstören und die vielen Proteste der Menschen zu ignorieren.

Bedenken "weggewogen"
Um den Bau der A 26 hat es eine mehr als 30 Jahre andauernde Diskussion gegeben, in der Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände immer wieder die Unsinnigkeit dieser Straße belegen konnten. In den letzten Jahren - pikanterweise mit neuem Schub während der rot-grünen Koalition in Niedersachsen - wurde das Planverfahren für den ersten Bauabschnitt zwischen Stade und Horneburg vorangetrieben und ist jetzt abgeschlossen.Bedenken der Naturschutzverbände und vieler Anwohner entlang der geplanten Trasse wurden "weggewogen". Aussagen von Gutachtern, die einem Ausbau der Bundesstraße 73 aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen den Vorrang vor einem Autobahn-Neubau eingeräumt hatten, waren bereits in der Landesplanerischen Feststellung (Abschluß des Raumordnungsverfahrens, Anm. d. Red.) umgebogen worden.

Ein von den niedersächsischen Grünen gefordertes und zur Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens erarbeitetes "Integriertes Verkehrskonzept für den Unterelberaum" ignorierte zahlreiche Vorschläge der Umwelt- und Naturschutzverbände zur Verkehrsvermeidung, Verkehrsminderung und zum Ausbau des Schienenverkehrs.

Trassenverlauf bleibt unklar
Politische Fürsprecher der A 26 und die Staßenbauverwaltung wählten als ersten zu realisierenden Bauabschnitt die Strecke zwischen Stade und Horneburg. Sie wußten: Die Zahl der Befürworter der A 26 nimmt mit der Entfernung von Hamburg zu, und der Abschnitt Stade Horneburg ist der vergleichsweise ökologisch unproblematischste. Sie wußten aber auch, daß dieser Abschnitt für sich kaum eine eigene Verkehrsbedeutung hat, da die wirklich überlasteten Strecken zwischen Horneburg und der Hamburger Landesgrenze, nämlich in Neukloster und Immenbeck/Ovelgönne, liegen.

Für diese weiteren Abschnitte war der konkrete Trassenverlauf obwohl er nach der Landesplanerischen Feststellung festliegen sollte noch immer nicht geklärt.
Bis heute wird um die beste Variante zwischen Horneburg und Buxtehude sowie zwischen Buxtehude und Hamburger Landesgrenze gerungen.

Dadurch wird deutlich, wie schlampig die ökologischen Gutachten und die Verkehrsgutachten während des Linienbestimmungsver-
fahrens und in der Landesplanerischen Feststellung ausgewertet wurden. Hier hat offensichtlich der Wunsch das Ergebnis vorweggenommen.

"Schwachstelle" Hamburg
Schließlich wurden die Planungen der A 26 in Niedersachsen weiter betrieben, obwohl aus Hamburg nie eine eindeutige politische Erklärung erfolgte, daß die Autobahn von der Landesgrenze bei Buxtehude bis zur A 7 auf Hamburger Gebiet fortgesetzt werden sollte. Absichtserklärungen des Hamburger Bürgermeisters oder anderer einzelner Politiker sind keine tragfähige Basis für Planungen und heben erst recht keine Parteitagsbeschlüsse der senatstragenden Parteien oder Beschlüsse der Bürgerschaft auf.

Formal gab es also keine berechtigte Grundlage für die Annahme, daß der Anschluß an die A 7 gelingen könnte. Es existieren in der Hamburger Straßenbauverwaltung nicht einmal konkrete Pläne für die Fortführung der A 26 auf Hamburger Gebiet. Nun wissen wir ja aus leidvollen Erfahrungen, wie schnell sich Meinungen und Beschlüsse in der Politik ändern können.
Die Crux mit Crex und eine Verbandsklage
Der BUND und andere Naturschutzverbände haben sich deshalb nicht auf politische Beschlußlagen und Absichtserklärungen verlassen, sondern im Planfeststellungsverfahren zahlreiche Bedenken geltend gemacht.

Unter anderem hat der BUND darauf hingewiesen, daß die Fortsetzung der A 26 auf Hamburger Gebiet schon deshalb anzuzweifeln sei, weil direkt im geplanten Trassenverlauf bei Neugraben-Fischbek ein bedeutendes Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Wachtelkönigs (zool. Crex crex in Hamburg heißt er schon Crux crux) nachgewiesen worden ist. Dieses Vorkommen ist laut EG-Vogelschutzrichtlinie unmittelbar zu schützen (s.Stellungnahme des BUND Stade vom 29.6.1996). Dennoch wurde auf diese Bedenken im Planfeststellungsverfahren nicht eingegangen. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe (AUN) als Mitglied des Niedersächsischen Naturschutzverbandes e.V. (NVN) stellvertretend für die Naturschutzverbände Klage beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg eingereicht.

Veto der Europäischen Kommission?
Parallel zur Vorbereitung der Verbandsklage hat der BUND nun erfahren, daß die Europäische Kommission die Bundesrepublik Deutschland und Hamburg in einem Mahnschreiben zur Meldung der wertvollen Bereiche im Süderelberaum aufgefordert hat. Nach Informationen des BUND hat die Kommission erklärt, daß aufgrund des Vorkommens des Wachtelkönigs im Moorgürtel und aufgrund der Bedeutung der Gebiete Alte Süderelbe, Mühlenberger Loch und Neßsand der Gesamtraum einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sei.

Die Kommission gehe aber davon aus, daß das betroffene Gebiet von den Projekten Neugraben-Fischbek (Wohnungsbau), Dasa-Erweiterung und A 26 erheblich beeinträchtigt werde und bei einer Verträglichkeitsprüfung von einem negativen Ergebnis auszugehen sei.

Rechtswidriger Beschluß
Die Position der EG-Kommission bedeutet, daß mit dem Fortsetzen des Baus der A 26 auf Hamburger Gebiet Europäisches Recht verletzt würde, der Bau damit nicht zulässig wäre und damit die vom BUND angeführten Bedenken zu berücksichtigen sind. Der Planfeststellungsbeschluß und der Bau der A 26 zwischen Stade und Horneburg ist damit rechtswidrig! Der Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann hat erklärt, daß er den Spatenstich für den ersten Autobahn-Abschnitt nicht vornehmen werde, wenn aussichtsreiche Klagen vorlägen. Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Minister!



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