Stand 1/2008
Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. sieht die Entscheidungsbasis im in Rede stehenden Raumordnungsverfahren als nicht gegeben an, da insbesondere
- der naturschutzfachliche Planungsauftrag nicht "umfassend abgearbeitet" (s. S. 279 des Erläuterungsberichtes) wurde aufgrund unzureichender Einstellung der Naturschutzdaten wie u.a. artenschutzrechtlicher Belange und Natura 2000 - Schutzgebiete, Gegenläufigkeit zur Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt, Abbau von Kohärenz und Biotopvernetzung, fehlender Untersuchung von Alternativplanungen wie dem Ausbau vorhandener Bundesstraßen (hier: B 74, B 71, B 211, B 437) und fehlender Berücksichtigung des bereits planfestgestellten sechsspurigen Ausbaus der A 1
- das Nutzen-Kosten-Verhältnis zu hoch ausfällt u.a. wegen nicht aktueller Zahlen zum demographischen Wandel, zu hoher Verkehrszahlen, Mautgebühren (Elbquerung) und Unterschätzung negativer Umweltauswirkungen durch einen Autobahnneubau.
- die Erfüllung der Planungsziele nicht gegeben ist bzw. nicht belegt wird, wie Entlastung der A 1, insbesondere bei den Ballungszentren Bremen und Hamburg, sowie Entlastung von Ortsdurchfahrten
- die Voraussetzungen betr. die sog. Zwangspunke nicht gegeben sind: Die als Zwangspunkt benannte Elbquerung ist hinsichtlich ihrer Realisierung aufgrund vorgesehener, aber bisher nicht in Aussicht stehender Privatfinanzierung sowie erheblicher Kostensteigerung mehr als fraglich, eine Machbarkeitsstudie steht noch aus. Der weitere Zwangspunkt Wesertunnel wurde seinerzeit nicht nach den Kriterien einer Autobahn ausgelegt, sondern als Teil einer regionalen Verbindung konzipiert.
- die Raumverträglichkeitsuntersuchung defizitär ist, da u.a. nicht sämtliche raumorderischen Belange - Vorrang-/Vorsorgegebiete für Natur und Landschaft, für Trinkwassergewinnung, für Erholung - eingestellt und negative regionalwirtschaftliche Entwicklungen wie Kaufkraftabfluss, Transitverkehrzunahme, Beeinträchtigung von Naherholung und Tourismus nicht berücksichtigt wurden
- die Verkehrsuntersuchung unzureichend ist aufgrund unklarer Ausgangsdatenlage, fehlender Berücksichtigung des demographischen Wandels, der Preisentwicklung bei den Kraftstoffen und der Potentiale des Kombinierten Verkehrs. Verkehrsplanungen des Bundes sehen wir als SUP (Strategische Umweltverträglichkeits-Prüfung) -pflichtig an.
Eine umfassende Alternativenprüfung ergäbe sich auch aus den FFH-Studien, da eine potentiell erhebliche Beeinträchtigung von Natura 2000 - Gebieten nicht auszuschließen ist.
Die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Flora und Fauna werden durch weitere Zubetonierung von Böden und Zerschneidung von immer mehr Landschaften durch Straßen und damit weiterer Verkleinerung der Lebensräume erheblich verschärft.
Nähere Ausführungen zu den entscheidungserheblichen Feldern sind in den Stellungnahmen der BUND-Kreisgruppen Ammerland, Cuxhaven, Rotenburg und Unterweser enthalten, die Bestandteil dieser Stellungnahme sind.
Letztendlich steht der geplante Neubau der A 22 in direktem Widerspruch zu Grundsätzen und Zielen der seit 22.01.2008 geltenden Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP), in die ein Vorranggebiet für die A 22 neu aufgenommen wurde.
So insbesondere zu:
- Nachhaltigem Wachstum mit Sicherung der Funktionsfähigkeit von Raum- und Siedlungsstruktur sowie Infrastruktur und Verbesserung durch Vernetzung, mit
- Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und Verbesserung der Umweltbedingungen
- Vermeidung oder Verminderung belastender Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen , Tieren und Pflanzen
- Berücksichtigung der Folgen für das Klima
(1.1. 02) - Berücksichtigung des demographischen Wandels, der weiteren Entwicklung der Bevölkerungsstruktur und der räumlichen Bevölkerungsverteilung bei allen Planungen und Maßnahmen (1.1 03)
- Förderung der Entwicklung der ländlichen Regionen ....
- zur Abschwächung der Auswirkungen des demographischen Wandels für die Dörfer zu deren Erhalt als Orte mit großer Lebensqualität
- zum Erhalt und zur Verbesserung der Umwelt, ökologischen Vielfalt, der Schönheit und des Erholungswertes der Landschaft
- zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen durch Maßnahmen zum Trinkwasser-, Gewässer- und Bodenschutz
(1.1 07) - Weiterentwicklung der Freiräume zu einem landesweiten Freiraumverbund mit Sicherung und Entwicklung der Funktionsvielfalt des landesweiten Freiraumverbundes (3.1.1 01)
- Erhalt möglichst großer unzerschnittener und von Lärm unbeeinträchtigter Räume und Aussparung naturbetonter Bereiche bei der Planung von raumbedeutsamen Nutzungen im Außenbereich (3.1.1 02)
- Sicherung und Entwicklung der Böden als Lebensgrundlage und Lebensraum, zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und in ihrer natürlichen Leistungs- und Funktionsfähigkeit (3.1.1 04)
- Erhalt und Entwicklung von für den Naturhaushalt, die Tier- und Pflanzenwelt und das Landschaftsbild wertvollen Gebiete, Landschaftsbestandteilen und Lebensräumen (3.1.2 01)
- Aufbau eines landesweiten Biotopverbundes zur nachhaltigen Sicherung von heimischen Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen einschließlich ihrer Lebensräume und Lebensgemeinschaften sowie zur Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen ist ein landesweiter Biotopverbund aufzubauen. Darin sollen wertvolle, insbesondere akut in ihrem Bestand bedrohte Lebensräume erhalten, geschützt und entwickelt sowie untereinander durch extensiv genutzte Flächen verbunden werden. (3.1.2 02)
- Berücksichtigung der Schutzerfordernisse folgender Gebiete bei allen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen: 1. Gebiete mit international, national und landesweit bedeutsamen Biotopen, 2. Gebiete mit Vorkommen international, national und landesweit bedeutsamer Arten, 3. Gebiete mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung für den Naturschutz, 4. Gebiete mit landesweiter Bedeutung für den Moorschutz, 5. Gebiete mit landesweiter Bedeutung für den Fließgewässerschutz Sicherung der Gebiete entsprechend ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung als Vorrang-/Vorbehaltsgebiet Natur und Landschaft oder alsVorrang-/Vorbehaltsgebiet Grünlandbewirtschaftung, - pflege und -entwicklung (3.1.2 05)
- Sicherung der Gebiete des europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" entsprechend der jeweiligen Erhaltungsziele (3.1.3 01)
- Sicherung und Weiterentwicklung der Voraussetzungen für Erholung und Tourismus in Natur und Landschaft (3.2.3 01)
- Erhalt und Weiterentwicklung von Bewirtschaftungsformen, durch die die Landwirtschaft eine besondere Funktion für den Naturhaushalt, die Landschaftspflege, die Erholung und die Gestaltung und Erhaltung der ländlichen Räume hat (3.2.1 01)
- Keine Zerschneidung von Wald durch Verkehrs- und Versorgungstrassen. Freihaltung der Waldränder von störenden Nutzungen und von Bebauung (3.2.1 03)
- Sicherung und Weiterentwicklung der Voraussetzungen für Erholung und Tourismus in Natur und Landschaft in allen Teilräumen (3.2.3 01)
- Berücksichtigung und Nutzung der Verlagerungspotentiale von der Straße auf Schiene und Wasserwege (mit flussangepassten Schiffen, Erg. d. Verf.) einschließlich Küstenschifffahrt und Kurzstreckenseeverkehre bei der Sicherung und Weiterentwicklung der logistischen Funktionen der See- und Binnenhäfen (4.1.1 04)
- Verbesserung und Entwicklung des Schienenverkehrs für den Personen- als auch Güterverkehr, so dass er größere Anteile am Verkehrsaufkommen als bisher übernehmen kann. Erhalt des Eisenbahnnetzes in allen Landesteilen [....] (4.1.2 01)
Die Bundesautobahnen A 27, A 28, A 29 und A 31 sowie die im Bau befindliche A 26 erschließen die Region bereits und darüber sind auch alle Hafenstandorte an das Autobahnnetz angeschlossen. Durch die geplante A 22 dürfte hingegen der Konkurrenzdruck der Häfen in Rotterdam und Antwerpen auf Häfen wie in Hamburg und Bremerhaven steigen unter Förderung des LKW-Transportes auf einer Transitstrecke zwischen den Niederlanden und Skandinavien.
Da der Bedarf für eine zusätzliche, naturschädigende Autobahn nicht gegeben ist, ist vielmehr unter Erhalt der verkehrsarmen, unzerschnittenen Räume (UZV > 100 km2) neben der Verlagerung des Verkehrsaufkommens auf Schiene und Schiff (flußangepaßte Schiffe; Feederverkehr) maximal das vorhandene Straßennetz zu verbessern.
Angesichts knapper Finanzmittel werden künftig aufgrund der erforderlichen Erhaltung des bestehenden Straßennetzes und der erforderlichen Maßnahmen im Bahnnetz keine Mittel für Projekte, die nicht in den vordringlichen, sondern - wie die geplante A 22 - nur in den weiteren Bedarf aufgenommen sind, zur Verfügung stehen.
Aufgrund der aufgezeigten erheblichen Defizite und der eklatanten Widersprüche bei den Planungsgrundsätzen erwarten wir, daß das Verfahren eingestellt wird.
Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. schließt sich neben den o.g. Stellungnahmen außerdem der Stellungnahme des GNUU vom 31.01.2008 voll inhaltlich an und macht diese zum Teil seiner Stellungnahme.
Dr. Marita Wudtke
Referatsleiterin Naturschutz und Umwelt
Weitere Informationen finden sich auch unter www.a22-nie.de