9. April 2010
Stallbau-Boom: Landesregierung sollte eingreifen, um ländlichen Lebensraum zu erhalten
Hannover - Anlässlich der heutigen Anhörung des Landwirtschaftsausschusses des Niedersächsischen Landtages zum Stallbau-Boom im östlichen Niedersachsen kritisiert der BUND die aus seiner Sicht verfehlte Landwirtschaftspolitik der Landesregierung. „Wer den Bau eines Großschlachthofes für fast 130 Mio. Hähnchen in Niedersachsen mit Steuergeldern subventioniert, und dann die Augen vor den Problemen verschließt, die durch den damit ausgelösten Stallbauboom in der Umgebung verursacht werden, der handelt nicht zum Wohle der Niedersächsischen Bevölkerung“, sagt Stefan Ott, stellvertretender Geschäftsführer des BUND Niedersachsen.
Um gesunde Wohnverhältnisse, attraktive Erholungslandschaften und intakte Natur in Niedersachsen zu erhalten, müsse der Bau neuer Stallbauten in Niedersachsen stärker gesteuert werden als bislang. Auch die Erhaltung des sozialen Friedens in vielen ländlichen Gemeinden erfordert nach Auffassung des BUND Landesverbandes Niedersachsen e.V. mehr Engagement von Land und Kommunen. Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat zwar zugestanden, dass es im westlichen Niedersachsen Regionen gibt, in denen die Belastungen schon so groß sind, dass hier keine weiteren Stallbauten zugelassen werden können. Aber im restlichen Niedersachsen gäbe es noch ausreichend unbelastete Gebiete mit erheblichem Ausbaupotenzial.
Doch nicht nur die Nachbarn neuer Ställe fühlen sich vor allem durch den Gestank belästigt. Auch die Umwelt wird belastet, vor allem durch Ammoniak: Fakt ist, so der BUND, dass sich die Bundesrepublik 2001 international verpflichtet hat, die Umweltbelastungen – z.B. durch Ammoniak – bis 2010 zu reduzieren. Dieser Schadstoff stammt zu einem sehr großen Teil aus der Intensivtierhaltung und ist klimaschädlich. Niedersachsen konterkariert somit das entsprechende Programm der Bundesregierung, die internationalen Verpflichtungen umzusetzen. Denn wenn die zusätzlichen Kapazitäten nun in Regionen geschaffen werden, die noch nicht intensiv belastet sind, wächst insgesamt die Summe der Schadstoffbelastung. Sie müsste jedoch dringend reduziert werden.
Wirksame Steuerungsinstrumente nutzen
Vielfach wird das Bild vermittelt, dass Genehmigungsbehörden und Gemeinden der Entwicklung weitgehend machtlos gegenüberstehen. Doch das trifft nach Angaben des BUND oft nicht zu: „Auch wenn es sich bei der Zulassung der Anlagen um so genannte ‚gebundene Entscheidungen‘ handelt, muss und darf die Zulassung nur erteilt werden, wenn die Schutzansprüche der Nachbarn und der umliegenden Natur und Landschaft gewährleistet werden. Den Landkreisen und den Gemeinden stehen im Rahmen der Raumordnung und Bauleitplanung einige wirkungsvolle Instrumente zur Verfügung, um Stallbauten auf geeignete Standorte zu lenken und die Geruchsbelastungen und den Schadstoffausstoß wirksam zu begrenzen“, erklärt Stefan Ott.
Die Niedersächsische Landesregierung kann auch Bürger und Umwelt schonen, indem sie Steuergelder im Rahmen der Agrar-Investitionsförderung nur noch für solche Projekte vergibt, bei denen Schadstoffe und Gerüche durch geeignete Filter reduziert und die Haltungsbedingungen der Tiere optimiert werden. Denn der Protest der Bevölkerung gegen die Stallbauprojekte ist laut BUND nachvollziehbar: „Hier werden die Steuergelder der Menschen dafür eingesetzt, ihnen Anlagen vor die Haustür zu setzen, die zum Himmel stinken. Dass die Menschen dagegen opponieren, ist nicht verwunderlich“, sagt Ott. Boden, Wasser und Luft sind im Agrarland Niedersachsen schon stark belastet. „Deshalb müssen bei Stallneubauten alle verfügbaren technischen Möglichkeiten wie Filteranlagen eingesetzt werden. Nur so können weitere Beeinträchtigungen der Nachbarn und der Umgebung minimiert werden.“
Der BUND rät allen Niedersachsen, sich in den betroffenen Regionen an ihre Kommunalpolitiker zu wenden und dort vorausschauende Konzepte einzufordern, um eine vernünftige ländliche Entwicklung unter Erhaltung von Natur und Erholungslandschaft zu gewährleisten.
Die Landesregierung sieht der BUND in der Pflicht, die Kommunen umgehend über ihre planungsrechtlichen Möglichkeiten zu informieren und sie auf gelungene Beispiele aus Niedersachsen aufmerksam zu machen. Ferner sollte die Landesregierung gerade die im Bereich der Tierhaltung unerfahrenen Gemeinden ermutigen, in eine intensive Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einzusteigen und sich nötigenfalls auf externen Sachverstand zuzugreifen.