8. Januar 2016
Landwirtschaftlicher Antibiotika-Einsatz nach wie vor zu hoch. Reserveantibiotika dürfen in der Tierhaltung nicht länger zur Anwendung kommen
Berlin: Bei der gestern Abend vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin durchgeführten Veranstaltung mit dem Titel „Wundermittel Antibiotika - ihr Einsatz im Tierstall und die Folgen für Mensch und Tier“ hat der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger die nach wie vor zu häufige Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung kritisiert. Die Gesundheit von Nutztieren lasse sich nur mit höheren gesetzlichen Tierschutz-Standards und einer besseren Tierbetreuung gewährleisten.
„In Deutschland werden bei der Billigfleischproduktion noch immer über 1200 Tonnen Antibiotika und Reserveantibiotika eingesetzt, doppelt so viel wie in der Humanmedizin. Ohne diese Medikamente würden viele Tiere die Turbomast bis zur Schlachtreife gar nicht überstehen. Der Hochleistungszucht müssen endlich Schranken gesetzt werden. Der Preisdruck der Discounter, tierquälerische Haltungsmethoden und die Verstümmelung von Tieren müssen durch eine tiergerechte Haltung, die Verwendung einheimischer Futtermittel und angemessene Preise für die Produkte abgelöst werden“, sagte Weiger.
Zwar sei die Menge der eingesetzten herkömmlichen Antibiotika zwischen 2011 und 2014 von rund 1700 auf 1200 Tonnen gesunken. Jedoch würden die für die menschliche Gesundheit besonders wichtigen Wirkstoffe der Fluorchinolone und Cephalosporine, die zu den so genannten Reserveantibiotika gehören, inzwischen häufiger eingesetzt. Waren es 2011 noch etwas weniger als 12 Tonnen in der Tierhaltung eingesetzte Reserveantibiotika, so seien es 2014 zirka 16 Tonnen gewesen.
Seinem Versprechen von Mitte 2015, die Restriktionen für den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierzucht verschärfen zu wollen, habe Bundesagrarminister Christian Schmidt bisher noch keine entsprechenden Taten folgen lassen, kritisierte der BUND-Vorsitzende. „Der exorbitant hohe Einsatz von Antibiotika in industriellen Tierhaltungsanlagen verursacht das Problem der antibiotikaresistenten Keime im Stall und auf dem Fleisch. Die damit verbundene Gesundheitsgefährdung für den Menschen lässt sich nur minimieren, wenn endlich gegengesteuert wird. Der Antibiotika-Verbrauch in der Tierhaltung muss drastisch reduziert werden. Der Einsatz der für die menschliche Gesundheit besonders wichtigen Reserveantiantibiotika gehört gänzlich verboten“, forderte Weiger.
Pressekontakt:
Katrin Wenz, BUND-Agrarexpertin, Tel. 030-27586-549 bzw. Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressesprecher, Tel. 030-27586-425/464, E-Mail: presse@bund.net , www.bund.net
In Niedersachsen wird das meiste Antibiotika in der Tierhaltung verwendet
60 % der Antibiotika, 726 Tonnen Wirkstoff, sind 2014 nach Niedersachsen - insbesondere in den Massentierhaltungsgürtel Vechta, Cloppenburg, Emsland - abgegeben worden. Auch wenn der Einsatz im Vergleich zu vergangenen Jahren insgesamt gesunken ist, so ist der Anteil der sogenannten Reserveantibiotika um 30 % gestiegen. In der Schweinemast sind nach den Meldungen der Tierhalter 2014 gegenüber 2011 35 % weniger dieser Medikamentenwirkstoffe eingesetzt worden. Im Bereich der Ferkelerzeugung stieg hingegen im gleichen Zeitraum der Einsatz um 31 %.
Neben Forderungen nach konkreten Reduktionszielen muss die Bundesregierung klar regeln, dass Reserveantibiotika grundsätzlich nicht mehr in der Tierhaltung verwendet werden dürfen. Entscheidend für den Einsatz von Antibiotika ist die Tierhaltung. Tiergerechte Haltungsformen brauchen signifikant weniger Antibiotikaeinsatz als Massentierhaltung, in denen das Tierwohl keine Rolle spielt. „Tierhaltung muss artgerecht werden, dann brauchen wir auch weniger Antibiotika im Veterinärbereich“, so Tilman Uhlenhaut, Landwirtschaftsreferent beim BUND Niedersachsen.