27. August 2010
Fragwürdiges CCS-Gesetz soll schmutzigem Kohlestrom sauberes Image verschaffen – Verpressung von CO2 birgt enorme Risiken
Berlin/Hannover. Anlässlich der Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium zum „Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid“ (CCS-Gesetz) hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seine ablehnende Haltung zu diesem Vorhaben bekräftigt. „Die unterirdische Verpressung von Kohlendioxid ist eine Feigenblatt-Technologie, hinter der die schmutzigen Folgen der Kohleverstromung versteckt werden sollen“, sagte der BUND-Energieexperte Robert Pörschmann.
Die CCS-Technologie, die sich noch im Forschungsstadium befinde, stehe vor allem für ein „Weiter so“ in der Energiepolitik. Offene Fragen seien dabei, ob CCS in der Zukunft überhaupt machbar und bezahlbar sei und ob die Technologie wirklich dem Klimaschutz diene. Denn mit vagen Verweisen auf das künftig einzusetzende CCS-Verfahren wollten die Energiekonzerne vor allem die für sie lukrativen Strukturen der Energieversorgung zementieren. Dies verhindere den Ausbau erneuerbarer Energien und trage dazu bei, dass sich die Energiekonzerne vor ihrer Verantwortung für mehr Klimaschutz drückten. CCS berge zudem zahlreiche Sicherheitsrisiken für Mensch und Umwelt, die nach dem jetzigen Stand der Technologieentwicklung nicht auszuschließen seien.
„CCS ist ineffizient und teuer. Diese Technik bindet viele Millionen Euro, die in große teure Kohlekraftwerke anstatt in erneuerbare Energien fließen. Hinzu kommen weitere Nachteile. Ein Kraftwerk mit CCS verursacht neue schwere Umweltschäden durch den Abbau von noch mehr Kohle“, sagte Pörschmann. Denn zur Erzeugung der gleichen Strommenge brauche man bis zu einem Drittel mehr Braun- oder Steinkohle, da die CO2- Abtrennung sehr energieintensiv sei.
Niedersachsen ist bereits ins Blickfeld der Energiekonzerne für den Einsatz der CCS- Technologie geraten, da die norddeutsche Tiefebene über große Speicherpotenziale – unter anderem in ausgebeuteten Gasfeldern – verfügen soll. Stefan Ott, stellvertretender Geschäftsführer des BUND Niedersachsen befürchtet: „Wir sind schon das Atommüllklo der Nation, jetzt sollen wir auch noch zum CO2-Klo werden.“ Darüber hinaus sei zu erwarten, dass durch die neue CCS-Technologie die niedersächsischen Kohlekraftwerke noch mehr Kohlendioxid produzieren und dass in Planung befindliche Kraftwerke tatsächlich gebaut würden. „Das ist energiepolitisch der falsche Weg“, sagt Ott.
Niedersachsen wäre auch durch eine geplante CO2-Lagerstätte bei Husum in Schleswig- Holstein betroffen. Denn der Energiekonzern RWE will in Hürth in Nordrhein-Westfalen ein neues Braunkohlekraftwerk errichten. Von dort soll das abgetrennte CO2 nach Schleswig-Holstein transportiert werden – durch eine Pipeline durch ganz Niedersachsen. „Dabei sind die Probleme des Transports aus Kraftwerken zu Lagerstätten noch völlig ungeklärt“, warnt Stefan Ott.
Der Umweltverband kritisiert am CCS-Gesetzentwurf, dass er zwar formal vorgebe, zunächst nur der Erprobung der Technologie zu dienen, tatsächlich aber durch unzureichende Beschränkungen die Tür zur Anwendung von CCS weit aufstoße. Insgesamt könne auch der neue Gesetzentwurf – der erste war im Juni 2009 gescheitert – die wesentlichen Sicherheitsfragen nicht beantworten. Der Verband lehne den vorgelegten Gesetzentwurf daher strikt ab. Unverfroren sei insbesondere, dass die Allgemeinheit auf den Risiken der CCS-Technologie sitzen bleiben solle. So werde es den Energiekonzernen erlaubt, spätestens 30 Jahre nach Beendigung der CO2-Verpressung sämtliche Haftungsrisiken auf die Bundesländer zu übertragen.
Energie-Experte Pörschmann: „Ob die sichere Endlagerung des Kohlendioxids über mehrere tausend Jahre funktioniert, weiß niemand. Diese Technologie ist ein teurer Weg, dessen Risiken vor allem die Bundesländer und damit die Steuerzahler und die betroffenen Regionen tragen sollen. Unklar ist auch, ob es überhaupt genügend sichere CO2-Lagerstätten gibt und welche Mengen Kohlendioxid tatsächlich verpresst werden könnten. Zudem eignen sich mit CCS ausgerüstete Großkraftwerke nicht als flexible Regelkraftwerke zur Ergänzung erneuerbarer Energien.“
Ein CCS-Gesetz, das nicht die Sicherheit der CO2-Lagerstätten in den Vordergrund stelle, keine ausreichende Vorsorge treffe und die Betreiber schon nach kurzer Zeit vollständig aus jeglicher Haftung entlasse, dürfe vom Bundestag nicht verabschiedet werden, sagte der Sprecher des BUND-Bundesverbands.
Die BUND-Stellungnahme zum CCS-Gesetz finden Sie im Internet unter
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/klima_und_energie/20100827_energie_ccs_gesetz_stellungnahme.pdf
Ansprechpartner beim BUND Bundesverband:
Robert Pörschmann, BUND-Energieexperte, Tel. 030-27586-433 bzw.
Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressestelle, Tel. 030–27586-425/-489, E-Mail: presse@bund.net, www.bund.net
Ansprechpartner beim BUND Niedersachsen:
Stefan Ott, stellv. Geschäftsführer, Tel. 0511-96569-13, E-Mail: stefan.ott@bund.net
bzw. Carla Juhre, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0511-96569-39/-0, Email: carla.juhre@nds.bund.net, Internet: www.bund-niedersachsen.de
Pressemitteilung zum Download (PDF-Format, ca. 45 KB)