14. Juni 2010
Artenschwund in Wäldern erfordert viel mehr Engagement der Landesregierung
Positionspapier reicht nicht aus, um Wälder fit für die Zukunft zu machen
Hannover - Heute haben verschiedene Vertreter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Interessengruppen im Niedersächsischen Forstministerium das Positionspapier „Wälder für Niedersachsen – Wald, Forst- und Holzwirtschaft im Wandel“ unterzeichnet. Die neue Agrarministerin Astrid Grotelüschen (CDU) präsentiert das Papier als wirkungsvollen Leitfaden, um die niedersächsischen Wälder fit für die Zukunft zu machen.
Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. hält die formulierten Ziele nicht für ausreichend. Die Erhaltung der niedersächsischen Erholungswälder, der biologischen Vielfalt und die Bewältigung des Klimawandels erfordern mehr als diesen beschlossenen Minimalkonsens, in dem wirtschaftliche Ziele dominieren.
Deshalb hat der BUND Niedersachsen das Papier – wie die anderen großen Umweltverbände auch – nicht unterzeichnet. „In dem Wald-Papier werden viele gesetzliche Vorschriften wiederholt, die ohnehin schon gelten, es enthält also wenig Neues. Außerdem flossen in das Dokument kaum konkrete Maßnahmen und Handlungsoptionen ein, um die Artenvielfalt im Wald zu erhalten, und es verbietet immer noch nicht die Kahlschlag-Praxis“, sagt Dr. Reinhard Löhmer, der stellvertretende Vorsitzende des BUND Niedersachsen.
Die wichtigsten Kritikpunkte des BUND Niedersachsen sind folgende:
Bundesweit besteht fast durchweg Einigkeit über das Ziel, als Beitrag zur Erhaltung von Waldtieren und Pflanzen rund 5 Prozent aller Waldflächen der natürlichen Entwicklung zu überlassen (etwa 10 Prozent Flächen der staatlichen Wälder, entsprechend weniger in den Privatwäldern). Doch im Positionspapier ist keine eindeutige Zielgröße genannt.
Das Positionspapier wiederholt an vielen Stellen nur geltende gesetzliche Vorgaben, die ohnehin eingehalten werden müssen. Doch an einigen Stellen enthält es gravierende Abweichungen von der Bundesgesetzgebung. Im geltenden Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) steht beispielsweise, dass naturnahe Wälder aufgebaut werden sollen und ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften sind. Doch im niedersächsischen Positionspapier steht, dass die Kahlschlagwirtschaft weiterhin Teil der Waldwirtschaft bleiben soll.
Jeder Waldbesucher sieht in den niedersächsischen Wäldern, die Folgen der Waldbewirtschaftung: tief durchpflügte Waldböden und zerstörte Wege. Die Unterzeichner des Papiers haben sich nicht darauf festlegt, künftig nur Maschinen zum Einsatz zu bringen, die den Boden schonen. Die Art der Pflanzungen und Durchforstung wird sich daher auch künftig nicht nach den Bedürfnissen der Erholungssuchenden richten, sondern nur nach der Technik der Maschinen.
Das Papier sieht vor, dass künftig jede Rücksichtnahme bei der Waldbewirtschaftung in NATURA-2000-Gebieten oder anderen Schutzgebieten finanziell auszugleichen ist. Für den BUND ist klar, dass über Abgeltung gesprochen werden muss. Doch jeden Verzicht auf eine Intensivierung der Waldwirtschaft mit Geld auszugleichen, hält der BUND weder für rechtskonform noch für bezahlbar.
Der BUND erkennt aber auch einige positive Ansätze in dem Papier. Wenn sich alle Akteure künftig zumindest an das halten würden, was dort nun niedergeschrieben wurde, würde das dem Wald in Niedersachsen nutzen. Der BUND ist weiterhin für Gespräche offen und bietet seine Mitwirkung an, insbesondere bei dem Konzept zur nachhaltigen Sicherung, Mehrung und Vernetzung von Biotopen und Arten des Waldes, das das Landwirtschaftsministerium erarbeiten lassen wird (die so genannte Hotspot-Strategie). Anerkannt wird auch, dass überhaupt ein erster Versuch unternommen wurde, verschiedene Interessen zu identifizieren und in einigen Punkten Positionen anzunähern.
Doch insgesamt wird das vorgelegte Waldpapier den Herausforderungen nicht gerecht. Das spiegelt auch die Liste der Unterzeichner wieder: Vor allem Waldbesitzer, Holzproduzenten und Holzverarbeiter konnten sich auf diese Positionen verständigen. Dass die großen Umwelt- und Naturschutzverbände, die forstwissenschaftlichen Hochschulen und einige Förster nicht mitgezeichnet haben, zeigt, dass diese Positionen nicht ausreichen, um die niedersächsischen Erholungswälder und die biologische Vielfalt zu erhalten.
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