25. Juli 2001
Umweltverbände: Seehunde sind nicht Ursache für leere Fischernetze im Wattenmeer
Von: Robert Exner, BUND-Pressereferent
Bremen/Hannover, 25. Juli 2001 - Die Hauptursache für den Bestandsrückgang bei Scholle und anderen Plattfischen im Wattenmeer sind nicht die Seehunde, sondern die jahrzehntelange Überfischung. "Der Seehund, der im Wattenmeer heimisch ist, darf nicht als Sündenbock herhalten und für die jahrzehntelange Misswirtschaft der Fischerei verantwortlich gemacht werden. Eine Bejagung oder andere Maßnahmen zur Reduzierung der Seehund Bestände, sind nicht akzeptabel und schon gar nicht im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer", sagte eine Sprecherin der Umweltverbände. BUND, LBU, NABU, NHB und WWF kritisieren den Landesfischereiverband Weser-Ems, der die Seehunde für den Rückgang der Fänge in den Netzen der 120 Fischkutter verantwortlich macht und ihre Dezimierung fordert.Mit 6.223 Seehunden wurde im niedersächsischen Wattenmeer 2001 ein neuer Höchststand erreicht. Im gesamten Wattenmeer (NL, D, DK) wurden 17.000 Tiere registriert. Seit Beginn der regelmäßigen Zählungen in den 50er Jahren sind das zwar die höchsten Zahlen, aber es wird geschätzt, dass 1900 ein Bestand von etwa 37.000 Seehunden im Wattenmeer lebte. Da es sich dabei allerdings um einen bejagten Bestand handelte, gehen Wissenschaftler davon aus, dass der natürliche Bestand sogar noch höher gewesen ist. Vor etwa 100 Jahren gab es also ausreichend Fisch für mehr als die doppelte Menge an Seehunden - trotz Fischerei. Die Befischungsintensität auf den Nordseebestand der Scholle hat jedoch seit den 50er Jahren stark zugenommen. Bereits Ende der 80er Jahre konnte der Bestand die jahrzehntelange Überfischung nicht mehr kompensieren und schrumpfte. Erst in den letzten 1-2 Jahren erholte sich der Bestand leicht, er ist jedoch immer noch klein. Der wissenschaftliche Rat zur Meereserforschung (ICES) empfiehlt daher weiterhin von der zu scharfen Befischung abzusehen und einen deutlich kleineren Anteil wegzufangen. Ein weiteres Problem, das seitens der Fischerei gerne verschwiegen wird, ist der große Anteil an Beifang (zu kleine Fische, nicht die "richtigen" Speisefische), der in der Regel beschädigt bzw. tot wieder über Bord geht. Dieser Beifang taucht in keiner Fangquote auf.Die Entwicklung der Seehundbestände hat eine sehr positive Auswirkung auf den Tourismus. Mehr als eine halbe Million Menschen besuchen jedes Jahr im deutschen Wattenmeer per Schiff einen Liegeplatz von Seehunden und bezahlen Geld für ein Naturschauspiel, das erst durch den Schutz der Natur im Nationalpark möglich ist. Neben der guten Bestandsentwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten profitieren die Besucher des Nationalparks vor allem auch von der Einstellung der Jagd auf Seehunde - 1973 wurde die Jagd in Niedersachsen und 1974 in Schleswig-Holstein verboten. Durch die damit verbundenen geringeren Fluchtdistanzen der Seehunde ergeben sich viel bessere Beobachtungsmöglichkeiten.
