24. Mai 2008
BUND Niedersachsen e.V. kritisiert: Umweltministerium gibt Millionen für den Schutz einzelner Arten aus, statt Flächenschutz und vorsorgende Landschaftsplanung zu betreiben.
BUND Niedersachsen e.V. fordert Biotopverbund und Flächenschutz für den Erhalt der Biologischen Vielfalt
Hannover - "Die Erfolgsmeldungen von Umweltminister Sander in allen Ehren, wenn jedoch die Reproduktionserfolge von einzelnen Arten wie dem Südlichen Goldregenpfeifer allein auf einer intensiven Rund-um-die-Uhr Bewachung durch Biologen fußen, aktuell aber 25 Arten zusätzlich auf der Roten Liste gelandet sind, ist es im Gegenteil um den Artenschutz in Niedersachsen schlimm bestellt", kritisiert Prof. Dr. Helmut Scharpf, der stellvertretende Vorsitzende des BUND Landesverbandes Niedersachsen e.V., die Pressemeldung des Umweltministeriums vom 22. Mai 2008.
"Selbstverständlich ist es erfreulich, wenn einzelne Arten, deren Bestände noch vor Jahren akut bedroht waren, sich stabilisieren. Das reicht jedoch keinesfalls!" Scharpf, promovierter Landschaftsplaner, weiß, dass vor allem Lebensraum- und Flächenschutz die geeigneten Mittel sind, um Artenvorkommen und biologische Vielfalt wirksam zu schützen.
Man müsse sich nur die aktuell veröffentlichte Rote Liste der in Niedersachsen gefährdeten Brutvogelarten des NLWKN vornehmen, die Kapitelüberschriften sagten eigentlich alles, so Scharpf. Auf S. 162 bis 166 heißt es in der Roten Liste (Stand 2007, 7. Fassung): "Brennpunkt Agrarlandschaft: Die meisten Vogelarten können mit der Nutzungsintensivierung nicht Schritt halten. Freizeitdruck an der Küste bringt Strandbrüter in Not. Tief greifende Veränderungen an den Binnengewässern führen zu massiven Lebensraumverlusten. Vögel im Wald: den Ubiquisten geht es gut, störungsanfällige Arten mit großen Raumansprüchen sowie Langstreckenzieher sind gefährdet. Die Vogelwelt der Dörfer dünnt aus, Leitarten der Siedlungen werden seltener."
"Verständlich, dass der Niedersächsische Umweltminister gern Erfolge verkündet, zumal, wenn es gegenwärtig in Bonn erneut um den so dringend notwendigen, weltweiten Erhalt der Biologischen Vielfalt geht", sagt Prof. Dr. Helmut Scharpf. "Um jede zweite, in Niedersachsen brütende Vogelart steht es schlecht. Von 212 Arten sind 100 gefährdet, davon sind 30 sogar vom Aussterben bedroht. Hinzu kommen 18 Arten, die auf der Vorwarnliste geführt werden, damit sind mehr als 50 Prozent der Brutvogelarten gefährdet. Den Vögeln fehlen Lebensräume und Brutstätten."
Besonders dramatisch, so Scharpf, sei die Entwicklung, die sich nach den Angaben der Roten Liste bei den so genannten Allerweltsarten abzeichne. Ihr Bestand geht dramatisch zurück, sie verschwinden schleichend und leise - so beispielsweise Haussperling, Feldlerche, Kiebitz und Braunkehlchen. "Den Allerweltsarten werden durch Heckenverlust und die weiterhin ungeminderte Intensivierung in der Agrarlandschaft die Lebensräume genommen. Die Vogel- und Tierarten, die wir bisher im Alltag in der Landschaft erleben konnten, verschwinden schrittweise - von der Öffentlichkeit fast unbemerkt. Angesichts dieser Fakten von einem Erfolg der Naturschutzstrategie des Landes zu sprechen, die auf der guten Zusammenarbeit mit Landnutzern, also den Landwirten und Jägern, fußt, ist eine sehr einseitig optimistische Sichtweise", erklärt Scharpf.
"Der BUND fordert die Landesregierung auf, mit einer offensiven Naturschutzstrategie, mit einem Biotopverbundsystem und engagiertem Flächenschutz sowie der Wiederbelebung von Heckenstrukturen in der Agrarlandschaft für den Erhalt der Biologischen Vielfalt zu kämpfen. Alles andere wird langfristig sehr teuer - auch für Niedersachsen!", mahnt der stellvertretende Vorsitzende des BUND Niedersachsen e.V. in Hannover.