BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


10. Oktober 2007

BUND fordert eine Stärkung des UNESCO-Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe

Lenzen (Elbe) - Aus Anlass der Bereisung des Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe durch das MAB-Nationalkomitee fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland e.V. (BUND) die Landesregierungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein auf, sich engagiert für die Stärkung und Profilierung der international bedeutsamen Modellregion einzusetzen. Maßstab sind dabei die Kriterien zur Umsetzung des MAB-Programmes "Der Mensch und die Biosphäre". Neben dem Schutz der europaweit bedrohten Lebensräume und Arten der Flusslandschaft müssen die Ausweisung einer ausreichend großen Kernzone und die Entwicklung und Umsetzung von Strategien für einen vorsorgenden Hochwasserschutz vorangetrieben werden. Nur durch eine angemessene Ausstattung mit Personal- und Finanzmitteln kann das Biosphärenreservat den vielfältigen Aufgaben einer Beispielregion für nachhaltige Entwicklung gerecht werden.

Das länderübergreifende UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe wird in diesen Tagen zehn Jahre alt. Anlass für die UNESCO, eines der größten Biosphärenreservate in Deutschland kritisch zu überprüfen. In diesem Rahmen findet vom 10. bis 12. Oktober 2007 eine Gebietsbereisung durch das Nationalkomitee der UNESCO für das Programm "Der Mensch und die Biosphäre" statt. Das Komitee fungiert als zuständiges Gremium und Bindeglied zwischen Schutzgebiet, verantwortlichen Ländern und der UNESCO.

Für den BUND ein Anlass, ebenfalls kritisch Bilanz zu ziehen und dabei auf Erfolge, aber auch Defizite der zehnjährigen Schutzgebietsgeschichte hinzuweisen.

Die Elbtalaue ist als eine der letzten großen, naturnahen Flusslandschaften Mitteleuropas ein unersetzlicher Mosaikstein im weltweiten Netzwerk der UNESCO-Biosphärenreservate. Bis heute ist die Elblandschaft durch eine weitgehend natürliche Flussdynamik, breite Überschwemmungsflächen und vergleichsweise wenig verbaute Ufer geprägt. Damit ist sie ein einzigartiger Rückzugsraum für viele europaweit bedrohte Lebensräume und Arten: Noch vorhandene Auwälder zählen zu den bedeutendsten Resten dieses wertvollen Lebensraumes in ganz Mitteleuropa und sind Heimat für Elbebiber, Seeadler und Kranich. Die Flusslandschaft Elbe bildet für den Weißstorch den wichtigsten zusammenhängenden Lebensraum in Deutschland und hat internationale Bedeutung als Rast- und Überwinterungsgebiet für Zugvögel.
Diese einzigartige Natur- und Kulturlandschaft zu bewahren und weiter zu entwickeln ist aus Sicht des BUND eine zentrale Aufgabe der am UNESCO-Biosphärenreservat beteiligten Bundesländer, denn Biosphärenreservate gehören weltweit zu den Gebieten, in denen das Übereinkommen über die biologische Vielfalt vorrangig umgesetzt werden muss.

Die Bilanz ist jedoch nicht eindeutig positiv: Dank des Engagements der Schutzgebietsverwaltungen konnten bundes- und sogar europaweit bedeutsame Naturschutzprojekte auf den Weg gebracht werden. Gleichzeitig ist die biologische Vielfalt der Flusslandschaft jedoch aus unterschiedlichen Gründen massiv bedroht: Ein wesentlicher Gefährdungsfaktor ist die Eintiefung der Flusssohle und die damit verbundene Absenkung des Wasserspiegels in der Aue um bis zu zwei Meter. Charakteristische Lebensräume am großen Strom wie Auenwälder, Feuchtgrünland und Gewässer sind dadurch von irreversibler Austrocknung betroffen.

Obwohl die Ursachen wie die Begradigung des Flusslaufes, die Errichtung von Staustufen im tschechischen Oberlauf sowie auch ganz aktuell praktizierte Baumaßnahmen am Flussbett hinlänglich bekannt sind, fehlt bis heute ein Konzept, um diese bedrohliche Entwicklung aufzuhalten. Ganz im Gegenteil: Bis 2010, so das Bundesverkehrsministerium, soll die Elbe als Wasserstraße für den Güterverkehr ganzjährig befahrbar gemacht werden, was weitere Baumaßnahmen mit den beschriebenen Auswirkungen bedeutet.

Doch nicht genug: Die seit über zehn Jahren stattfindenden Baumaßnahmen werden ohne die vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt, weshalb auf Initiative von Umwelt- und Bürgerinitiativen ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutsch-land läuft.

Weitere Maßnahmen bedrohen den Erhalt der wertvollen Auenlebensräume ebenfalls: So wurden im niedersächsischen Teil des Biosphärenreservates auf Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums schutzwürdige Auwaldbestände im Biosphärenreservat gesägt und gerodet, um ein schnelleres Abfließen des Wassers im Hochwasserfall zu erreichen.

Während also in Naturschutzprojekten mit erheblichem Aufwand Wiedervernässungs-maßnahmen und Auwaldpflanzungen realisiert werden, gräbt die Wasser- und Schifffahrts-verwaltung den EU-geschützten Lebensräumen sprichwörtlich das Wasser ab. Und das niedersächsische Umweltministerium gibt die Auwälder quasi zum Abschuss frei.

Auch in anderen Aufgabenfeldern des Biosphärenreservates verstärkt sich der Eindruck, dass Großschutzgebiete politisch zwar als attraktive Aushängeschilder genutzt, notwendige Konsequenzen, die sich aus dem MAB-Programm ergeben, aber ignoriert werden:

So sieht das UNESCO-Programm die Biosphärenreservate u.a. in der Pflicht, übertragbare Strategien zur Bewältigung des Klimawandels zu entwickeln. Dass es gerade in Flusslandschaften eine Reihe wichtiger und übertragbarer Ansätze im Sinne eines vorsorgenden Hochwasserschutzes zu entwickeln gäbe, liegt auf der Hand. Doch auch hier fehlt bis heute eine verbindliche, länderübergreifend abgestimmte Strategie: Stattdessen wird die Lösung in der Erhöhung der Deiche gesucht, während wegweisende Projekte wie die Deichrückverlegung und Auenrenaturierung in der Lenzener Elbtalaue einsame Leuchttürme bleiben.

Auch am Thema "Kernzonen" wird deutlich, dass der politische Wille zur konsequenten Umsetzung des MAB-Programmes fehlt: Der geforderte Anteil von drei Prozent der Flächen, auf denen sich die Natur ohne menschlichen Einfluss entwickeln soll, wird im länderübergreifenden Biosphärenreservat bei weitem nicht erreicht. Gerade die Kernzonen sind aber die Bereiche, in denen sich extrem selten gewordene Lebensgemeinschaften wie Auwälder entwickeln könnten. Statt des politischen Bekenntnisses zu diesem zentralen Kriterium wird der einfachere Weg gewählt: Die Fläche des Großschutzgebietes wurde in Sachsen-Anhalt so verkleinert, dass sich der Flächenanteil der Kernzone entsprechend erhöhte und auch andere Bundesländer denken über diese nur dem Anschein nach "einfache" Lösung nach.

Wen mag es da noch wundern, dass den Schutzgebietsverwaltungen sukzessive das notwendige Personal abgezogen wird, um die vielfältigen und seitens der UNESCO klar definierten Aufgaben von Biosphärenreservaten im Bereich Naturschutz, nachhaltige Regionalentwicklung, Forschung und Bildung wahrnehmen zu können?
Zu einer angemessenen Personalausstattung gehört aus Sicht des BUND nicht nur eine Schutzgebietsverwaltung, die derzeit politisch ungeliebte Themen wie den Natur- und Landschaftsschutz abdecken muss. Zusätzlich erforderlich ist eine hauptamtliche Gebietsbetreuung, denn nur sie kann sicherstellen, dass fachlich sinnvolle Maßnahmen in der Fläche umgesetzt und die Ziele des Großschutzgebietes durch qualifizierte Bildungs- und Naturerlebnisangebote Bewohnern und Besuchern der Elbtalaue vermittelt werden.

Aus Sicht des BUND also insgesamt eine wenig erfreuliche Bilanz: Zweifellos sind Biosphärenreservate höchst bedeutsame Instrumente für den Schutz und die nachhaltige Entwicklung von weltweit herausragenden Landschaften. Und das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe ist aufgrund seiner Voraussetzungen ein wichtiger Faktor im Gesamtkonzept dieser weltweiten Modelllandschaften.
Wirksam wird das Instrument jedoch nur, wenn die vor Ort vorhandenen, engagierten Schutzgebietsverwaltungen die notwendige politische Unterstützung erfahren. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass in weiteren zehn Jahren von der so wertvollen Flusslandschaft nicht mehr übrig ist als eine Worthülse.

 

Kontakt:Susanne Gerstner, BUND Projektbüro "Unsere Elbe – das Blaue Wunder", Tel. 038792/1221, mail: susanne.gerstner@bund.net



Quelle: http://archiv.bund-niedersachsen.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/bund-fordert-eine-staerkung-des-unesco-biosphaerenreservates-flusslandschaft-elbe-2/