10. Mai 2012
Im Wattenmeer muss Natur an erster Stelle stehen - BUND fordert: Bei der konstituierenden Sitzung des neuen Beirates für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer müssen Weichen für mehr Naturschutz gestellt werden
Am 11. Mai tagt erstmals der neu einberufene Beirat für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Das Gremium soll die Nationalparkverwaltung dabei beraten und unterstützen, den Schutzzweck des Nationalparks unter Berücksichtigung sonstiger Belange der Allgemeinheit zu verwirklichen. Die Amtszeit des Beirates läuft bis Ende 2016.
Seit der Gründung des Nationalparks vor gut 27 Jahren wurde viel für den Schutz der Natur erreicht. In weiten Teilen des Wattenmeers konnte bis heute eine weltweit einzigartige Flora und Fauna erhalten werden. Die Auszeichnung als Weltnaturerbe durch die UNESCO verdeutlicht die herausragende Bedeutung des Ökosystems. Deshalb ist es von größter Wichtigkeit, dass der neue Beirat sich mit ganzer Kraft für den Erhalt und die Entwicklung dieses Naturwunders einsetzt.
Um die Schutzziele des Nationalparks zu erreichen, müssen wichtige Herausforderungen angegangen werden:
- Mehr Personal: Nach wie vor ist die Betreuung des Nationalparks in der Fläche vollkommen unzureichend. Es gibt nur sechs hauptamtliche Nationalparkwarte, die keine hoheitlichen Rechte ausüben können. Besonders kritisch sieht der BUND daher auch die Kürzungen bei der Wasserschutzpolizei. „Gerade im sensiblen Naturraum Wattenmeer ist es wichtig, dass die Rechtsvorschriften eingehalten werden“ so Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, Geschäftsführer des BUND Niedersachsen. „Die wenigen Kräfte reichen nicht aus, um Verstöße gegen das Nationalparkgesetzt zu ahnden“ so Bodenstein-Dresler weiter. Auch bei der Umweltbildung muss mehr Personal eingesetzt werden. Der im Nationalpark gesetzlich festgelegte Bildungsauftrag wird derzeit insbesondere von den großen Umweltverbänden wie BUND und Nabu in deren Nationalparkhäusern wahrgenommen. Dabei wurde die Unterstützung durch das Land in den letzten Jahren aber kontinuierlich zurückgefahren. Die Information und Sensibilisierung der Menschen sind Grundvoraussetzungen, um das Weltnaturerbe Wattenmeer zu erhalten. Um diesen wichtigen Auftrag zu erfüllen benötigen die Nationalparkhäuser und Infozentren aber mehr Mittel.
- Tourismus: Das Wattenmeer ist ein bundesweit beliebter Erholungsraum, 2011 wurden ca. 40 Millionen Übernachtungen gezählt. Die hohe touristische Frequentierung führt aber zunehmend zu Konflikten mit dem Naturschutz. Viele Touristen missachten, oft unwissentlich, die Vorschriften im Nationalpark, wodurch viele Tiere häufig in der Brut-, Setz- und Rastzeit gestört werden. Auch der erhöhte Trinkwasserbedarf in den Sommermonaten sowie der zunehmende Schiffs- und Flugverkehr schaden dem Ökosystem Wattenmeer. Der BUND fordert daher eine verträgliche Ausgestaltung der Erholungsnutzung unter Beachtung der Naturschutzziele.
- Kitesurfen: Der Trendsport Kitesurfen kann im sensiblen Wattenmeer zu Problemen führen. Durch das Ausweisen von Kitesurf-Bereichen in der Zwischenzone, in der das Steigenlassen von Drachen verboten ist, wird die Zonierung des Nationalparks weiter aufgeweicht. Viele Kitesurfer gelangen zudem, meist ungewollt, in nicht zugelassene Zonen des Nationalparks und schrecken Ruhe suchende Vögel und andere Tiere auf.
- Klimawandel: Der weltweite Klimawandel wird sich auch auf das Wattenmeer auswirken. Steigende Meeresspiegel könnten zukünftig Einflüsse auf die Sedimentbilanzen der Strände und Wattbereiche haben. Eventuell notwendige Anpassungsstrategien im Küstenschutz müssen im Einklang mit den naturschutzfachlichen Zielen erfolgen und dürfen zu keiner weiteren, massiven Verbauung der Inselköpfe führen. Klei- und Sandentnahmen für Deichbaumaßnahmen sollen zumindest nicht in den Ruhezonen des Nationalparks erfolgen. Außerdem sind alternative Küstenschutzprojekte weiterzuentwickeln.
- Offshore-Windparks: Zur Anbindung der Offshore-Windparks fordert der BUND eine räumliche Konzentrierung der Kabelstränge außerhalb des Wattenmeeres, also entlang schon vorbelasteter Flussmündungen. Die Kabeltrassen müssen unter bestmöglicher Ausnutzung der Übertragungskapazität gebündelt werden, mehrere Windparks müssen eine Kabeltrasse gemeinsam nutzen. Zusätzlich fordert der BUND ein fortlaufendes Monitoring, um mögliche Störwirkungen der Windkraftanlagen, z. B. auf den Vogelzug, zu erfassen und ggf. erforderliche Lösungsstrategien zu entwickeln.
Der BUND fordert die Mitglieder des Beirats für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer auf, ihre ganze Kraft für den Erhalt des Ökosystems Wattenmeer einzusetzen und die Schutzziele nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen zu vernachlässigen. Nur so kann das Weltnaturerbe Wattenmeer auch für die nachfolgenden Generationen erhalten werden.
Hintergrund: Der Beirat für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
Die Nationalparkverwaltung wird durch einen Nationalpark-Beirat beraten; der Beirat soll die Nationalparkverwaltung in ihrer Aufgabe unterstützen, den Schutzzweck unter Berücksichtigung sonstiger Belange der Allgemeinheit zu verwirklichen. Die Mitglieder des Beirats werden von der obersten Naturschutzbehörde für die Dauer von fünf Jahren berufen. Der Beirat ist von der Nationalparkverwaltung bei der Erarbeitung von Konzepten für Schutz-, Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, bei Forschungsvorhaben (soweit die Nationalparkverwaltung daran beteiligt ist), bei der Erstellung von Informationsmaterial über den Nationalpark oder Teile davon, bei der Bildung einer Landschaftswacht und zu Fragen nationaler und internationaler Zusammenarbeit (Forschung, Exkursionen und dergleichen) anzuhören. Der Beirat kann Vorschläge zu Maßnahmen im Nationalpark unterbreiten, zu denen die Nationalparkverwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Stellung zu nehmen hat.
Weitere Informationen finden sich in § 27 des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) vom 11. Juli 2001.