24. August 2012

Wildschweinjagd im Vogelschutzgebiet – unzulässige Störung oder Naturschutzmaßnahme? - BUND lässt Ausweitung der Jagd auf Kernzone des EU-Vogelschutzgebiet vom Gericht prüfen.

Wildschweine. Foto: Dave Pape / wikipedia.de

Der BUND Landesverband Niedersachsen hat beim Göttinger Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen den Landkreis Northeim eingereicht. Gegenstand des Verfahrens ist eine Verfügung des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung des Landkreises, mit der die Möglichkeit der Jagd auf den südlichen Kernbereich des Natur- und Wildschutzgebiets „Polder I im Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden“ ausgeweitet werden soll. Auch in der wertvollsten Kernzone des EU-Vogelschutzgebietes soll künftig vom 1. August bis Ende September gejagt werden dürfen.
Für die nördlich gelegene Kernzone ist dies ab 1. September geplant.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und örtliche Naturschutzgruppen wie die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Süd-Niedersachsen und die Gesellschaft für Naturschutz Einbeck und Umgebung (GfN) halten die Verfügung für rechtswidrig. Der BUND wird dies nun gerichtlich klären lassen.

„In einem ersten Schritt haben wir beantragt, die Jagd in der empfindlichen Kernzone des Naturschutzgebietes, die nach der Schutzgebietsverordnung überhaupt nicht betreten werden darf, zu unterbinden. Ohne ein rechtlich vorgeschriebenes Befreiungsverfahren mit Beteiligung der Naturschutzverbände ist die Jagd dort nicht rechtens “ erklärt Dr. Marita Wudtke, Referatsleiterin für Umwelt- und Naturschutzpolitik.

Begründet wird die Notwendigkeit der Jagd mit einer vermeintlich wachsenden Zahl von Wildschweinen in dem Gebiet, die die Bestände der geschützten Vogelarten gefährden sollen. Zahlen zur Bestandsentwicklung der Wildschweine konnten laut BUND allerdings bisher nicht vorgelegt werden. „Wir bestreiten nicht, dass es in begründeten Einzelfällen notwendig sein kann, auch in Schutzgebieten mit Blick auf die Arten, die es dort vorrangig zu erhalten und zu fördern gilt, andere Arten zu bejagen“ so Dr. Marita Wudtke weiter. „Allerdings muss eine stichhaltige Begründung vorliegen und eine ggf. erforderliche Bejagung dann auf die möglichst schonende Art und Weise durchgeführt werden, d.h. mit möglichst wenigen und geringen Störungen für die störungsempfindlichen Vogelarten.“

Da die Jagd bereit seit 1.8. möglich ist, hat der BUND beim Verwaltungsgericht Göttingen ein Eilverfahren angestrengt. „Wir erwarten einen vorläufigen Stopp der Jagd durch das Gericht, um in einem Befreiungsverfahren prüfen zu können, ob eine Bejagung überhaupt erforderlich und welche Art der Bejagung für die vorkommenden Vogelarten am verträglichsten wäre“ erläutert Dr. Wudtke.

Aus Sicht der BUND könnte diese Klärung Signalwirkung für das ganze Land Niedersachsen haben, denn „wir haben den Eindruck, die Erhaltung und Entwicklung gefährdeter Arten in Niedersachsen soll zunehmend durch Intensivierung der Jagd auf ihre Fraßfeinde und Konkurrenzen erreicht werden anstatt durch Sicherung und Entwicklung ihrer Lebensräume sowie Reduktion von Störungen“ so Dr. Wudtke.

 

HINTERGRUND:

Der Leinepolder liegt zwischen Hollenstedt und Salzderhelden und wird von Naturliebhabern als eine „Perle der Natur“ bezeichnet. Das Gebiet ist nicht nur Hochwasserrückhaltebecken, sondern auch EU-Vogelschutzgebiet, Natur- und Wildschutzgebiet. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist das Gebiet so wertvoll und von hervorragender Bedeutung, weil dort besonders seltene und zum Teil vom Aussterben bedrohte Vogelarten brüten.


Für die am Boden brütenden Rallenarten wie beispielsweise den Wachtelkönig und das Tüpfelsumpfhuhn hat das Schutzgebiet internationale Bedeutung. Geeignete Lebensräume wie die Feuchtwiesen im Leinepolder werden für sie immer seltener.

 

In dem etwa 1.000 ha großen Schutzgebiet ist die Jagd auf Wildschweine, Füchse und Waschbären grundsätzlich erlaubt. Die so genannten Kernzonen (um die Geschiebesperre bei Hollenstedt im Südteil des Schutzgebiets und die Feuchtflächen bei Salzderhelden) dürfen allerdings - zum Schutz der dort vorkommenden, besonders störungsempfindlichen Vogelgarten - bisher nicht betreten werden, auch nicht zur Jagdausübung. Ausnahmen vom Jagdverbot sind bisher nur in ganz engen Grenzen unter besonderen Voraussetzungen möglich, z. B. wenn die Bejagung nachweislich erforderlich ist, um den Schutz der wertvoll en dort lebenden Vogelarten zu gewährleisten.

 

In der Tat fressen Wildschweine – ebenso wie beispielsweise Weißstörche – u. a. auch Gelege und Küken der geschützten Bodenbrüter und können damit den geschützten Arten schaden, kann die Vorkommen dezimieren. Weder dem Landkreis noch dem Umweltministerium liegen nach Informationen der Umweltverbände belastbare Daten vor, dass die Bestandszahlen der geschützten Vogelarten rückläufig sind. Daten über die Erhöhung der Wildschweinbestände ebenso wenig.

 

Wenn mit entsprechenden Daten zu belegen ist, dass die Bestände der besonders geschützten Arten durch jagdbares Wild dezimiert werden, kann es angemessen sein, die Bejagung zu erlauben – auch in Schutzgebieten.

Das Naturschutzrecht und die EU-Richtlinien sehen dann allerdings vor, dass die Bejagung so durchgeführt wird, dass die Zahl, Dauer und die Intensität der Störungen so gering wie möglich gehalten werden.


LINK zur geltenden Verordnung des Naturschutzgebietes:

http://www.nlwkn.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=8062&article_id=44347&_psmand=26

 

Rückfragen zum Thema an:

Dr. Marita Wudtke

Referatsleiterin für Umwelt- und Naturschutzpolitik

BUND Landesverband Niedersachsen

Tel. (0511)96569- 18

E-Mail: marita.wudtke@nds.bund.net

 

Pressemitteilung zum Download (PDF-Format, ca. 80 KB)

 




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