11. August 2011
Elbvertiefung: Planwerk nach fünf Jahren ein Trümmerhaufen / Viele Kritikpunkte ignoriert
Eine Pressemitteilung des BUND Hamburg
Seit mittlerweile fünf Jahren liegt der Antrag auf Planfeststellung zur geplanten Elbvertiefung vor. Trotz mehrfachem Nachbessern sieht der BUND Hamburg nach einer umfangreichen Bilanzierung des Verfahrens weiterhin massive Mängel auch hinsichtlich unterschlagener Informationen gegenüber der Europäischen Kommission.
Defizite bestehen im Wesentlichen in folgenden Bereichen:
Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU): Eine NKU prüft zu Beginn einer großen Infrastrukturplanung, ob dem Einsatz öffentlicher Mittel ein entsprechender volkswirtschaftlicher Nutzen gegenüber entsteht. Die mehr als 10 Jahre alte NKU für die Elbvertiefung ist trotz massiver gutachtlicher Kritik seitens des Bundesministeriums für Umwelti und einer Kostensteigerung um weit mehr als 100 % nie grundlegend aktualisiert worden. Daher ist zu bezweifeln, ob der 400 - 500 Mio. Euro teueren Maßnahme unter Einbeziehung der ökologischen und wirtschaftlichen Nachteile überhaupt noch ein angemessener Nutzen gegenübersteht.
Alternativenprüfung: Eine Alternativenprüfung ist aufgrund der erheblichen ökologischen Eingriffe sowohl auf Grundlage der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als auch der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erforderlich. Eine ganz wesentliche Alternative, nämlich eine geringere Vertiefung der Tideelbe ist nicht geprüft worden. Dabei ist bereits aus den offiziellen Planunterlagen aus 2007 ersichtlich, dass eine Baggerung von nur 1,55 Mio. t im Mündungsbereich der Elbe die Bedienung von Schiffen bis 14,00 m tideabhängig ermöglicht hätte (beantragt: 14,50 m). Die Beeinträchtigung von Natur und Umwelt wären deutlich geringer, während sich für die Schifffahrt eine „wesentliche Verbesserung des Ist-Zustandes“ ergibtii. Es bietet sich auch ein Vergleich mit dem Hamburger Konkurrenzhafen Antwerpen an: Dort wurde nach zähem Ringen zwischen Hafenwirtschaft und Naturschutz die aktuelle Vertiefung der Schelde auf 13,10 m für den tideunabhängigen Verkehr begrenzt – also deutlich weniger als die von Hamburg beantragten 13,50 m. Auch die maximal gefahrenen Tiefgänge großer Containerschiffe nach Hamburg belegen, dass kaum Bedarf für größere Fahrwassertiefen besteht.
Naturschutzfachlicher Ausgleich: Die Ausgleichsverpflichtungen sind vielfältig, hier soll nur exemplarisch auf die besondere Verantwortung Hamburgs für den weltweit nur noch an der Tideelbe vorkommenden Schierlings-Wasserfenchel eingegangen werden. Mittlerweile erkennen Hamburger Senat und Wasser- und Schifffahrtdirektion eine höhere Ausgleichsverpflichtung an. Erst vor kurzem hat der Erste Bürgermeister Olaf Scholz mit einem persönlichen Anschreiben an die EU-Kommission weitere Maßnahmen vorgeschlageniii.
Doch bei näherer Betrachtung handelt es sich dabei zum einen um die Wiederherstellung eines Hafenbeckens (Alter Moorburger Hafen), das als Lebensraum für den Schierlingswasserfenchel willentlich zerstört wurde und hier somit eine nach dem Naturschutzgesetz bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit vorliegt. Und zum anderen um Maßnahmen in einem schon bestehenden Europäischen Schutzgebiet (FFH-Gebiet Hamburger Unterelbe), zu denen die Hansestadt ohnehin verpflichtet wäre. Auch die Maßnahme Kreetsand, die vor wenigen Monaten nachgemeldet wurde, stellt eine bereits finanzierte und ohnehin durchzuführende Maßnahme dar.
Bedarfbegründung: Es wird weiterhin behauptet, dass für große Containerschiffe eine Elbvertiefung um bis zu 2,70 m notwendig ist, damit ein tideabhängiger Verkehr mit einem Tiefgang von 14,50 m ermöglicht wird. Bereits jetzt ist ein Einlaufen tideabhängig von Schiffen bis zu einem Tiefgang von 15,10 m und ein Auslaufen bis 13,80 m möglichiv. Bei der Bedarfsbegründung ist folgendes zu beachten. Die Schiffe fahren zur Optimierung des Treibstoffverbrauchs und der Geschwindigkeit in der Regel im so genannten „design draught“ und tauchen in der Folge bis zu 1,5 m weniger einv. Hinzu kommt, dass die Schiffe zumeist Hamburg nicht voll beladen anlaufen, der Anteil der Leercontainer steigt und die Containerdurchschnittsgewichte abnehmenvi. Auch dies führt zusätzlich zu einer geringeren Eintauchtiefe großer Containerschiffe.
Salinität (Salzgehalt): Obwohl erhebliche Kritik zum Thema Brackwasserzone bereits seit 2007 von niedersächsischen Landesbehörden, Wirtschaftsbetrieben aus Stade (Dow Chemical, Evides) und dem Obstbau im Alten Land vorgetragen wurde, beharren die Planer der Elbvertiefung auf ihren fragwürdigen Aussagen. Eine weitere Verschiebung der Brackwasserzone stromaufwärts Richtung Hamburg hätte erhebliche negative Konsequenzen für den Obstbau im Alten Land und würde auch den Lebensraum des Schierlingswasserfenchels noch weiter einschränken.
„Fünf Jahre nach Beginn des Verfahrens ist offensichtlich, dass der Hamburger Senat vor einem planrechtlichen Trümmerhaufen steht. Dies erklärt auch, warum derzeit vor allem in Brüssel erheblicher politischer Druck für eine positive Stellungnahme der EU-Kommission aufgebaut wird. Letztlich wird aber die Qualität der Planunterlagen und des Planfeststellungsbeschlusses bei einem möglichen Gerichtsverfahren entscheidend sein. So fährt das Projekt gegen die Wand“, stellt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, als Fazit fest.
Derzeit läuft ein Antrag des BUND Hamburg nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) an die Wasser- und Schifffahrtdirektion Nord (WSD Nord), um endlich Transparenz in das offensichtlich unvollständige und einseitige Informationspaket zu bringen, das seitens der WSD nach Brüssel geschickt wurde.
Für Rückfragen: Paul Schmid, BUND Hamburg, T: 040 – 600 387-12
vi www.hafen-hamburg.de/content/containerumschlag-2010; Auswertung BUND