19. September 2006
Geplante Vertiefung von Unter- und Außenelbe unverantwortlich und überflüssig
Hamburg - BUND, DNR und WWF halten den aktuellen Antrag zur Planfeststellung einer erneuten Elbevertiefung seitens der Hamburg Port Authority und des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg aus ökologischen und volkswirtschaftlichen Gründen für unverantwortlich.
Ökologische Bedenken:
Schon heute leidet die Unterelbe an warmen Sommertagen unter Sauerstoffmangel. Wesentliche Ursache dieser wieder vermehrt auftretenden "Sauerstofflöcher" sind insbesondere die letzte Elbvertiefung und die ständig zunehmende Unterhaltungsbaggerung, die zu erhöhter Trübung und Sauerstoffzehrung führt."Dadurch werden die Lebensmöglichkeiten für Fische erheblich eingeschränkt", stellt die Biologin Beatrice Claus von der Umweltstiftung WWF fest. Eine weitere Verschlechterung der hydrologischen Verhältnisse verstößt u. a. gegen die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie und die Erfordernisse des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000, das eine weitere Verschlechterung der an der Unterelbe ausgewiesenen Vogelschutz- und FFH(Flora-Fauna-Habitat)-Gebiete verbietet. "Die EU-Kommission wird hier einschreiten müssen, sofern sie ihre Umweltdirektiven an der Unterelbe nicht zugunsten einseitiger und fragwürdiger wirtschaftlicher Interessen Preis gibt", gibt Dr. Marita Wudtke vom BUND Niedersachsen zu bedenken.
Ökonomische Fragwürdigkeit:
Wurde die letzte Vertiefung der Unterelbe 1999 noch damit begründet, nur so könnten die immer größer werdenden Containerschiffe auch zukünftig den Hamburger Hafen anlaufen, so geht es heute darum, den Reedern eine Fahrt möglichst voll beladen auch bei tidebedingtem Niedrigwasser zu ermöglichen. Die hierdurch bei heute vereinzelt (!!) auf die Flut wartenden Großcontainerschiffen ersparten Wartezeiten erhöhen den Profit weniger Großreedereien und vergrößern die Zahl der in Hamburg umgeschlagenen Container. Da Infrastrukturmaßnahmen grundsätzlich von der öffentlichen Hand bezahlt werden, sollen die Kosten der Vertiefungsmaßnahmen in Höhe von mind. 350 Mio. Euro - trotz überschuldeter Haushalte - erneut vom Steuerzahler übernommen werden. Das gilt auch für weitere Folgekosten im voraussichtlich zweistelligen Millionen-Bereich für zukünftig vermehrt erforderliche Unterhaltungsaufwendungen. Bereits heute versinkt der Hamburger Hafen im Schlick, ein Problem, das sich seit der letzten Elbevertiefung - entgegen aller offiziellen Prognosen - drastisch verschärft hat. Die zu baggernden Mengen und Kosten haben sich seitdem in etwa vervierfacht; mögliche weitere drastische Steigerungen würden den Verantwortlichen in Hamburg nahezu unlösbare Probleme bescheren.
Unredliche Planungsvorbereitung:
Von derartigen Problemen indessen ist weder in der bislang vorliegenden "Machbarkeitsstudie" etwas zu lesen, noch in der von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) im Dissens mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) vorgelegten "ökologischen Risikoanalyse". Das BfN sah beispielsweise die Problematik der Verträglichkeit des Projektes in Bezug auf die FFH-Schutzgebiete an der Unterelbe deutlich kritischer.
Die "Nutzen-Kosten-Untersuchung" von PLANCO Consulting, die seit Jahrzehnten als "exclusive" Gutachter bei solchen Großprojekten auftauchen, bescheinigt dem Projekt Elbvertiefung einen, auch für Fachleute kaum nachvollziehbaren und somit fragwürdigen hohen Nutzen. So kommt beispielsweise ein Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums zu folgendem Urteil: "Es fällt auf, dass auf der Nutzenseite vor allem die verminderten CO2- und NOx-Emissionen ... das Ergebnis bestimmen."..."Der Nutzen wird hier um den Faktor 10 zu hoch angesetzt. Demgegenüber sind die Unterhaltungskosten ... bei der Elbevertiefung mit 6,7 bis 11,6 Mio. EUR pro Jahr sehr gering angesetzt" (PROGNOS / PROGTRANS, 15. Juni 2006). "Offensichtlich sind hier Nutzenrelationen künstlich hochgerechnet worden, um die politischen Entscheidungsträger über den tatsächlichen Nutzen im Unklaren zu lassen", so der Landesgeschäftsführer des BUND-Hamburg, Manfred Braasch.
PLANCO geht zudem im Falle einer unterlassenen weiteren Fahrwasservertiefung von höchst zweifelhaften Verlagerungen beim Containerverkehr nach Rotterdam aus, was angesichts der starken Hamburger Marktposition und des zukünftigen JadeWeserPorts als "deutsche Antwort" auf den Tiefwasserhafen Rotterdam völlig absurd ist. Ebenso absurd sind die angeblich hohen CO2-Entlastungen aufgrund "vermiedener Landtransporte" bei der nun beantragten weiteren Fahrwasservertiefung. Wichtige Faktoren wie zum Beispiel die durch den vermehrten Einsatz von Baggerschiffen zunehmende CO2-Belastung bleiben dagegen unberücksichtigt. Als in höchstem Maße unseriös sehen die Umweltverbände auch das als "Totschlagargument" für derartige Investitionen immer wieder angeführte Arbeitsplatzargument. Hamburg hat sich trotz wiederholter Anfrage bis heute geweigert, konkrete nachvollziehbare Belege für die behaupteten Arbeitsplatzeffekte vorzulegen.
Vermeidung unnötiger Doppelinvestitionen durch nationales Seehafenkonzept:
BUND, DNR und WWF haben mit Vertretern der Bundesregierung für November 2006 ein Treffen vereinbart, um konkrete Vorschläge für ein umweltschonendes Seehafenkonzept zu präsentieren. Dieses sieht vor, den neuen JadeWeserPort in Wilhelmshaven nach erwarteter Fertigstellung als einzigen nationalen
Tiefwasserhafen auch entsprechend auszulasten und nicht durch unnötige Doppelinvestitionen über eine gleichzeitige Vertiefung von Unter-/Außenelbe und Außenweser zur teuren Investitionsruine verkommen zu lassen. Da ohnehin ein erheblicher Teil der umgeschlagenen Container nach Skandinavien und in die baltischen Staaten weiter transportiert wird, könnte dieses über Wilhelmshaven oder Cuxhaven viel direkter abgewickelt werden, als über die lange Revierfahrt nach Hamburg und wieder zurück. Arbeitsteilung und intelligente logistische Konzepte sind hier gefragt und nach Auffassung von Experten auch möglich.
Dieses würde die starke Hafenposition Hamburgs unter seinen europäischen Wettbewerbern keineswegs nennenswert schwächen, zumal Hamburg beim Containerumschlag seit Jahren mit zweistelligen jährlichen Zuwachsraten überproportional wächst. So könnte Hamburg ohne Probleme einen Teil dieses Wachstums an die strukturschwachen Städte Wilhelmshaven oder das benachbarte Cuxhaven an der Elbmündung über eine sinnvolle Arbeitsteilung abgeben. Die jüngste Erklärung des Hamburger Senators für Wirtschaft und Arbeit, Gunnar Uldall vom 12.09.2006, die geplante Elbevertiefung sei ein "wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Entwicklung Norddeutschlands" ist äußerst fragwürdig: Die gesamte norddeutsche Küstenregion würde bei dem von BUND/DNR/WWF vorgeschlagenen Kooperationsmodell wesentlich breiter vom boomenden Seeverkehr profitieren als bei einer weiteren Stärkung der schon jetzt marktbeherrschenden Stellung Hamburgs. Zudem würden Umwelt und Steuerzahler deutlich geschont - der volkswirtschaftliche Nutzen wäre entsprechend wesentlich höher.
BUND, DNR und WWF fordern die Verantwortlichen von Bundesregierung und Küstenländern auf, endlich für ein sinnvolles, lange überfälliges Hafenkonzept zu sorgen und keine weiteren überflüssigen, die Umwelt und den Steuerzahler schädigenden Doppelinvestitionen wie die von Hamburg geplante Elbvertiefung zu finanzieren.
Verantwortlich:
Manfred Braasch (BUND-HH), Tel. 040 - 600 38 712
Beatrice Claus (Umweltstiftung WWF), Tel.: 040 - 530 200-119
Dr. Marita Wudtke (BUND-Nds.), Tel.: 0511-96569-0