11. September 2001
NABU und BUND begrüßen Urteil des Europäischen Gerichtshofes - Umsetzung der FFH-Richtlinie in Niedersachsen immer noch völlig unzureichend - "Niedersachsen betätigt sich als Naturschutzbremser!"
Von: Robert Exner, BUND-Pressereferent


Hannover, 11. September 2001 - Die niedersächsischen Landesverbände von NABU und BUND sehen sich durch das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur mangelhaften Umsetzung der FFH-Richtlinie in Deutschland bestätigt. "Auch die Niedersächsische Landesregierung hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass unser Land im europäischen Vergleich als Schlusslicht bei der Meldung von FFH-Gebieten dasteht", erklärte Carola Hamann, stellvertretende BUND Geschäftsführerin. "Das Urteil des EuGH ist ein schmerzhafter Schuss vor den Bug der Naturschutzbremser, zu denen auch das Land Niedersachsen in dieser Frage gehört. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Niedersachsen nach mehreren deutlichen Warnungen endlich ihre Hausaufgaben machen!", betonte Olaf Tschimpke, NABU Landesvorsitzender.Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Verbände gibt es in Niedersachsen 1.015 fachlich geeignete Gebiete, die den Erfordernissen eines europäischen Verbundsystem für ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten genügen. Ohne den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer halten NABU und BUND eine Fläche von 593.859 Hektar (12,4 Prozent der Landfläche Niedersachsens) für FFH-würdig. Die offiziellen Gebietsmeldungen des Landes Niedersachsen bis 2000 umfassen bis heute jedoch nur 172 Gebiete mit 262.144 Hektar (ohne Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer), das entspricht einem Anteil von 5,5 Prozent der Landfläche. "Niedersachsen liegt immer noch unter dem mageren bundesdeutschen Durchschnitt. Der EuGH wird sich damit sicherlich nicht zufrieden geben", so BUND Sprecherin Hamann. "BUND und NABU fordern daher, dass das Land Niedersachsen jetzt unverzüglich alle fachlich geeigneten Gebiete meldet. Die Verbände haben eine gewaltige Arbeit geleistet und gute Vorschläge erarbeitet, die das Land endlich offiziell bestätigen sollte!", erklärten Tschimpke und Hamann.Andernfalls drohe in Kürze der Bundesrepublik ein zweites Verfahren sowie rückwirkend saftige Strafzahlungen von bis zu 1,5 Millionen Mark täglich.Die stärksten Defizite zeigen sich bei Lebensraumtypen, die in Niedersachsen ohnehin selten und nur kleinflächig vorkommen. Hierzu gehören zum Beispiel solche Lebensräume, die ihren Schwerpunkt außerhalb der atlantisch geprägten biogeografischen Region haben, etwa die prioritären (*) Kalkreichen Sümpfe, Kalkschutthalden*, Nicht touristisch erschlossene Höhlen, Felsen mit Kalk-Pionierrasen*, Kalktuff-Quellen*, Temporäre Karstseen, Kalkfelsen. Von diesen Lebensraumtypen wurden weniger als 20 Prozent (im direkten Vergleich mit der FFH-Verbändeliste in Hektar) vom Land Niedersachsen als FFH-Gebiete an die EU gemeldet. Die FFH-Richtlinie der EU trat 1992 auf einstimmigen Beschluss der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft. Darin haben die Mitgliedstaaten der EU sich verpflichtet, bis zum Jahr 1995 nach klar definierten wissenschaftlichen Kriterien Schutzgebiete für ?NATURA 2000? vorzuschlagen. Zu diesem Netz sollen auch die Schutzgebiete nach der bereits 1979 in Kraft getretenen EG-Vogelschutzrichtlinie gehören. Bereits im Frühjahr 2000 hatte die EU-Kommission die Mitgliedstaaten darauf hingewiesen, dass Fördergelder der EU für Infrastrukturprojekte und Landwirtschaft nur ausgezahlt werden können, wenn die Vereinbarkeit dieser Projekte mit den Schutzgebieten überprüft werden kann. Da die Bundesrepublik trotz vorgegebenem Zeitplan mit der Meldung von Gebieten für das kohärente EU-Netz ?NATURA 2000? bisher nur unzureichend vorangekommen ist, wurde die Auszahlung der Mittel in den Fonds EFRE (Europäischer Fond für regionale Entwicklung), EAGFL (Europäischer Ausgleichs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft) und des ESF (Europäischer Sozialfonds) gesperrt. Die Bundesrepublik bzw. die Länder erhielten eine "Schonfrist" bis zum 31. März 2001, um die nach fachlichen Kriterien erforderlichen Gebiete nachzumelden.Der Naturschutzbund NABU und der BUND haben das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg gegen Deutschland begrüßt. In dem sogenannten ?horizontalen Verfahren? wurden Deutschland (C-71/99), aber auch Frankreich (C-220/99) und Irland (C-67/99) verurteilt, weil die drei Mitgliedstaaten immer noch zu wenige Schutzgebiete gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) vorgeschlagen haben - Irland 14,1 Prozent seiner Landesfläche, Frankreich nur 5,7 und Deutschland nur 6,2 Prozent.Nach Analysen von NABU, BUND und anderen Naturschutzverbänden haben die Bundesländer bisher nur ca. die Hälfte der fachlich infrage kommenden Gebiete nach Brüssel gemeldet. Die Europäische Kommission hatte daher bereits im Februar 1999 Klage gegen Deutschland beim EuGH eingereicht.
